Mittwoch, 1. September 2021

Und drei und vier

Vorige Woche habe ich den Takt mit "und eins und zwei" begonnen. Ein Plädoyer sozusagen für Struktur im Leben, ohne dass es deshalb langweilig wird. Und fand dann als Kommentar den Hinweis auf Improvisation. Ein spannender Gedanke, ist denn nicht wirklich das Leben eine Aneinanderreihung von Improvisationen?

Bei der Antwort auf diese Frage hole ich ein wenig aus. In der Musik kennt man Improvisationen, das ist wörtlich genommen ein spontaner Einschub in den Ablauf eines Titels. Die Melodie setzt aus, Strophe und Refrain – sofern vorhanden – treten beiseite und stattdessen spielt mindestens ein Musiker eine Parenthese. Die mag spontan komponiert sein, vielleicht ist es auch eine für diese Stelle erdachte Variation. In letzterem Fall wird man eher von einem Zwischenspiel als von einer Improvisation sprechen.

Also spontan, einigen wir uns mal darauf. Aber, und jetzt komme ich auf einen wichtigen Punkt zu sprechen, aber auch dieser Teil des Ablaufs gehorcht gewissen Regeln. Fast immer wird der Takt beibehalten, selbst der Rhythmus läuft meist unverändert weiter. In der Rockmusik wird an dieser Stelle gerne mit Koloraturen gearbeitet, die nach einer definierten Anzahl von Takten (üblicherweise ein Vielfaches von vier) wieder zum Thema zurückführen.

Spielt man etwas völlig anderes, wechselt in eine andere Tonart, einen 9/8-Takt oder eine andere Oktavgattung, wird es höchstwahrscheinlich unharmonisch und dissonant und man gerät leicht an den Rand von „Katzenmusik“.

Zurück zum Ausgangspunkt. Wie oft gibt es eigentlich Improvisation in unserem Leben? Im Sinne von Planänderung und Anpassung an die aktuelle Situation: tagtäglich. Spontan auf neue Randbedingungen einzugehen ist unerlässlich, sonst spricht man von Starrheit. Doch diese (ich nenne es mal Wendigkeit) steht im Normalfall in Harmonie zu den Aspekten, die wir berücksichtigen müssen oder wollen (analog zum fortlaufenden Rhythmus). Es ist der professionelle Umgang mit Unvorhergesehenem (Im-Provisio, lat.), jedoch kein irgendwie-drauflos. Und schmiegt sich dann im Laufe der Zeit an eine möglicherweise veränderte Vorgehensweise an.

Zusammenfassend also die Aussage, dass wir uns zwar durch unser Leben improvisieren, es aber als Fertigkeit verstehen müssen, dies in Einklang mit unserem inneren Rhythmus, dem äußeren Takt oder der Grundstimmung unserer Mitmenschen zu gestalten.

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