Also, warum ich im Fitnessstudio bin, das weiß ich. Als Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit und dem vielen Sitzen möchte ich mich körperlich fit halten. Andere Kollegen joggen durch die Gegend, manche setzen sich aufs Fahrrad, ich gehe ins Studio.
Da schaue ich mich um und frage mich, was andere Kunden hierhin treibt. Naheliegend sicher auch irgendwelche sportlichen Gründe, vielleicht Muskelaufbau, Bodybuilding, Ausgleich anderer Sportarten oder Rehabilitation nach Unfällen. Eine ganz andere Sparte sind die Männer und Frauen, die eine Hilfe bei der Überwindung ihres inneren Schweinehundes brauchen. Sportkurse und Übungen in der Gruppe sind ein probates Mittel, um von einem Trainer motivierte Anstrengungen zu meistern. Drittens dann die Menschen, die ihre Grenzen fühlen möchten, vielleicht sich selbst auch beweisen wollen, was sie gestemmt bekommen. Oder sich als Kontrast zur Tagesarbeit mal so richtig auspowern wollen.
Habe ich noch eine Gruppe übersehen? Ja, natürlich. Da sind nämlich zu einem durchaus merklichen Teil auch noch Personen, die nur in zweiter Linie wegen der Fitness hier sind. Man möchte andere trainierte Menschen sehen, von diesen gesehen werden oder sich an seiner eigenen Schönheit erfreuen. Ein wenig wie ein Marktplatz mit der Option, sich – zumindest körperlich – ein bisschen zur Schau zu stellen.
Und das ist genau die Stelle, an der manche Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen blind sind. Denn diese durchaus beachtliche Fraktion der Kundschaft muss man natürlich ganz anders ansprechen als die offizielle oder als solche sichtbare Zielgruppe. Wichtige Kunden, die ich auch abholen muss, die ich aber nicht mit besonders guten Trainern oder topmodernen Geräten begeistern kann. Wie auch andernorts stellt sich die Frage, warum jemand ausgerechnet hierher kommen oder sogar etwas kaufen sollte. Da ist Kreativität gefragt: Wenn ich als Baumarkt nur Schrauben verkaufe, geht mir ungefähr die Hälfte der potentiellen Käufer durchs Netz, nämlich fast alle Frauen. Was dort die Abteilung mit Dekorationsartikeln ist, ist anderswo das Grillzubehör im Haushaltswarenladen.
Abschließend noch der Hinweis, dass es nicht nur eine Frage des Produktportfolios ist. Auch die Kombination aus sachlichen und emotionalen Komponenten muss so austariert werden, dass man einen möglichst großen Marktanteil erreicht.
Und noch abschließender die Feststellung, dass diese Gedanken auch für abstraktere Gebilde wie zum Beispiel Organisationseinheiten in Unternehmen gelten. Warum sollte sich ein Mitarbeiter für die Tätigkeit in meinem Unternehmen oder (genauer hingeschaut) in dieser Abteilung entscheiden; Vielleicht ist es die Herausforderung (Auspowern), die gemeinsame Arbeit (Sportkurs), die Erholung von einem Burnout in ruhigerem Umfeld (Rehabilitation) oder eine besonders nette Kollegin (Sehen und gesehen-werden). Eher die Karriere (Sache) oder eher das gute Betriebsklima (Emotion)? Ein Unternehmen so aufzustellen und Abteilungen so in Position zu manövrieren, dass sie nicht nur ihre Arbeit machen, sondern attraktiv für Mitarbeiter sind und bleiben, ist neben der strategischen Ausrichtung und Führung die anspruchsvollste Aufgabe für Manager.
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