Neben mir sitzt ein Pärchen, ehemalige Clowns. Man kann noch die übergroßen roten Lippen und die weiße Umrandung erkennen. Das Abschminken scheint nicht ganz geklappt zu haben. Und dann die Augen. Nicht traurig, nein, eher verkatert. Es ist halt Aschermittwoch.
Auf meiner Stirn ist ein schwarzer Punkt, den mir der Priester mit seinem dicken Daumen verpasst hat. Der Fleck soll der Anfang eines „Aschekreuzes“ sein, das selbst als Symbol für unsere Vergänglichkeit steht. Murmelnde Gebete, weihrauchgeschwängerte Luft in Kombination mit dem langsam abgebauten Restalkohol.
„Staub bist Du, zu Staub wirst Du“ - Meine Gedanken gehen zurück zu den letzten Tagen, Jubel, Trubel, Heiterkeit. Und nach vorne, denn es liegen 40 Tage Fastenzeit vor mir. Aus Sicht eines Karnevalisten erreiche ich heute den Tiefpunkt des Jahres. Doch wie es mit Tiefpunkten so ist, haben sie auch ihr Gutes: es geht ab jetzt aufwärts. Der elfte November ist nur noch 262 Tage entfernt, doch bis dahin gibt es nur eine kurze Pause, müssen doch Kostüme, Equipment, Reden und so weiter auch vorbereitet werden.
„Staub bist Du, zu Staub wirst Du“ – wieviele Sachen in meinem Leben habe ich angefangen, entwickelt, mehr oder weniger ehrgeizig verfolgt. Und im Laufe der Zeit dann auch wieder ad acta gelegt, mal wegen des Wechsels der Lebenslage, mal wegen Zeitmangel, oder auch weil in dem Moment andere Dinge für mich wichtiger wurden.
„Staub bist Du, zu Staub wirst Du“ – wieviele Unternehmen sind entstanden, groß geworden, haben eine Weile am Markt geglänzt und sind dann wieder in der Versenkung verschwunden. Prominente Beispiele wie Nokia als vorübergehender Führer auf dem Handymarkt oder die ehemaligen Götter der IG Farben (mit BASF, Bayer, Hoechst etc.)
„Staub bist Du, zu Staub wirst Du“ – ganze Branchen, die in Blüte standen und heute höchstens noch ein Nischendasein führen. Tonbandgeräte, Kassettenrekorder, Plattenspieler: Wer kennt noch Namen wie Dual oder Telefunken? Oder klassische Papierbilder aus Analog-Kameras. Vielleicht demnächst auch Kaufhäuser.
Und so weiter. Oder eben auch nicht weiter. Nicht nur unser menschliches Leben, auch die menschlich geschaffene Wirtschaft, die von uns genutzte Natur entsteht und vergeht. Doch wie gesagt: In jedem Tiefpunkt steckt per definitionem die Aussicht auf Aufstieg, Wachstum, Fortschritt und Entwicklung von Neuem.
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