Mittwoch, 25. Oktober 2023

Mittwoch, Wartungstag

Es ist Mittwoch. Allwöchentliches Wartungs-Ritual.

„Ding-Dong“ die Haustürklingel. Es ist noch früher Morgen, ich schlurfe zur Tür: „Ja, bitte?“

Vor dem Eingang steht ein junger Mann, vielleicht Ende Dreißig, Schildmütze auf dem Kopf, gepflegte Monteurkleidung. „Ich komme zur Wartung Ihres Hauses.“ Ich schaue ihn prüfend an: „Wer schickt Sie?“, knurre ich.

„Ihre Versicherung.“ Und dann nach einer Pause: „Ich kontrolliere den Wohnzustand und die technische Ausstattung.“ – „Aha. Und das heute Morgen?“ Ich bin noch ein wenig verschlafen und habe überhaupt keine Lust auf den ungeplanten Besuch.

„Darf ich reinkommen?“ – „Also, ehrlich gesagt passt es mir jetzt gerade gar nicht. Ich will jetzt frühstücken und danach an den Computer.“ „Kein Problem“, strahlt mich der junge Mann an, „dann komme ich einfach morgen wieder. Oder übermorgen.“

Mir wird klar, dass ich ihn nicht loswerde, schlimmer noch, er wird so lange bei mir klingeln, bis er seine Arbeit gemacht hat. „Also gut, kommen Sie rein“ höre ich mich sagen und schon hat er seinen bis dahin unsichtbaren Koffer unter dem Arm und stürmt an mir vorbei in den Flur. Mit sicherem Schritt geht er auf den Sicherungskasten zu und öffnet das Türchen.

„Sie können gerne frühstücken und an den Computer, ich arbeite gerade meine Checkliste ab und dann bin ich auch schon wieder weg. Wenn ich was brauche sage ich Bescheid.“ Das hört sich in der Tat ganz gut an, meine Laune verbessert sich ein wenig und ich setze mich in Richtung Küche in Bewegung. „Oh, halt, noch eins: Zur Leitungsprüfung der Dreiphasenleitung muss ich kurz den Strom für die Küche abschalten.“ Das bedeutet, dass ich erst mal keinen Kaffee kochen kann, meine Laune verschlechtert sich wieder.

„Ist ok“, raune ich, „dann mache ich später den Kaffee, ach was, das ganze Frühstück verschiebe ich erst mal. Sagen Sie Bescheid, wenn sie fertig sind.“ Statt in die Küche laufe ich jetzt in mein Arbeitszimmer, setze mich an den Schreibtisch und starte den Computer. Die Programme erscheinen nach und nach auf dem Bildschirm, ich beginne mit der Sichtung der E-Mails. „Hallo“, höre ich eine Stimme hinter mir, „hallo, die Küche ist jetzt fertig, als nächstes würde ich mir das Büro vornehmen. Können Sie vielleicht gerade noch mal den Computer herunterfahren.“

Einerseits gut, dann kann ich meinen Kaffee machen, andererseits schlecht, denn ich hatte gerade mit einer Bearbeitung angefangen. „Also gut, ja, dann machen Sie. Können Sie nicht erst mal einen anderen Teil Ihrer Checkliste abhaken?“ – „Doch, doch, natürlich. Dann gehe ich erst mal die Fenstersicherungen durch. Können Sie mir die Schlüssel geben?“.

Pest oder Cholera. Ob ich meine dienstliche Mailbearbeitung wegen der Stromabschaltung unterbreche, oder weil ich die Schlüssel für die Fenstergriffe suchen muss. „Was brauchen Sie denn noch“, will ich missmutig wissen. „Gar nichts, nur die Schlüssel für die Oliven. Eventuell später noch mal Daten für das Codeschloss an der Haustür. Das ergibt sich bei der Kontrolle der Smart Home Komponenten.“

Ich seufze. „Gut, gut, dann fahre ich jetzt den PC herunter, Sie können die Leitung prüfen und währenddessen suche ich nach den Schlüsseln für die Fenster und Terrassentüren.“ – „Sehr gerne“ flötet mein unerträglich gut gelaunter Gast.

Eine knappe Stunde später hat er alles durchgecheckt, ich bin ihm mehr oder weniger unfreiwillig die ganze Zeit zur Hand gegangen und habe weder gefrühstückt noch gearbeitet. Meine Laune bessert sich erst, als er sich mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen verabschiedet. Noch auf dem Weg zur Tür verspricht er, dass er nächste Woche wiederkommt, eine Differenzprüfung durchführt und an der einen oder anderen Stelle noch Wartungsarbeiten – voraussichtlich an der Kaltwasserversorgung - durchführen muss.

Uff, er ist weg, jetzt aber schnell in die Küche oder zuerst den Computer wieder hochfahren, die Schlüssel von den Fenstern abziehen und in den eigentlichen Arbeitstag starten. Soweit der Plan, dann jetzt sehe ich, dass er die Fenstergriffe getauscht hat. Die neuen Griffe sind ganz anders zu bedienen, die Schlüssel passen natürlich nicht mehr. Oder genau genommen passen sie noch, aber nur bei den Terrassentüren, denn an denen hat er nur die Griffe, aber nicht die Schlösser getauscht. Die schöne Schließanlage ist damit in zwei nicht zueinander passende Teile aufgeteilt. Zukünftig muss ich für die Fenster die neuen Schlüssel, für die Türen die alten Schlüssel nehmen.

Mittwoch Wartungstag

Nein, das war ja alles nur ein Albtraum. Tatsächlich ist es Mittwoch, ist es Wartungstag. Aber es klingelt nicht an der Haustür. Nur beim Starten meines Computers erscheint die Meldung, dass ein zwingender Wartungslauf erforderlich ist, der nicht aufgeschoben werden kann. Ziemlich genervt lasse ich den Start der Wartung zu und beginne mit der Bearbeitung von E-Mails. Doch schon kommt ein Fenster, dass zur Fortsetzung der Wartung gewisse Programme geschlossen werden müssen. Also gut, Outlook kontrolliert stoppen, den Browser wieder schließen.

Ich hole mir einen Kaffee und sehe beim Zurückkommen, dass ein Neustart erforderlich ist. Der dauert erfahrungsgemäß mit allem Pipapo knapp 10 Minuten. Soviel Kaffee will ich gar nicht trinken, ich möchte jetzt endlich an die Arbeit kommen. Aber diese erzwungene Auszeit ist nicht verhandelbar. Also ruhig Blut, ich speichere alle Dokumente, schließe die Programme und gebe den Neustart frei.

Dieses lästige Ritual wiederholt sich noch einmal, dazwischen werden fleißig irgendwelche Updates heruntergeladen und installiert, theoretisch kann ich zwar arbeiten, aber der PC ist so beschäftigt mit seiner Wartung, dass er kaum Zeit für mich findet. Alles ist quälend langsam. Und endlich – eine halbe Stunde und zwei Tassen Kaffee später – ist es geschafft. Zumindest ist keine Wartung mehr erkennbar, die Programme laufen wieder in normaler Geschwindigkeit und jetzt könnte der Arbeitstag beginnen. Könnte, denn für ein zentrales Programm haben sie mir eine neue Version eingespielt, nichts ist mehr an seinem Platz, ich werde die gesamte Einrichtung und Konfiguration anpassen müssen. Das war doch alles so gut in Schuss und hat prima funktioniert, jetzt ist kein Stein mehr auf dem anderen und ich brauche plötzlich ein weiteres Passwort, weil das Single-Sign-On nicht mehr geht.

Und so wiederholt sich der böse Traum vom Versicherungs-Kontrolleur in Form eines Sicherheits-Kontrolleurs auf meinem Computer. Und gemeinsam haben die beiden, dass es mich Lebenszeit kostet und nachher (zumindest für mich) schlechter ist.

[Diese Woche bei den Glossen: Nicht nur der Montag ist dein Freund]
[Diese Woche beim Feingeistigen: Aufstehen, es ist Freitag!]

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