Mittwoch, 2. Oktober 2024

Zufällige Bilder, Chaos und Weiterverwendung

Es gibt eine Maltechnik, bei der Acrylfarben mit einem Medium versehen werden, dabei eindicken und sich als zähe Masse auf der Leinwand in allerlei zufälligen Strukturen ausbreiten. Heraus kommen farbenfrohe Bilder mit schwungvollen Trennlinien zwischen den einzelnen Farbtönen, je nach anfertigendem Künstler mit einer Prise Gold oder vereinzelten Blasen angereichert.

Zufällige Bilder, Chaos, Weiterverwendung, Pouring
Betrachtet man diese Werke, dann kann man sich in phantasievoller Betrachtung allerlei Figuren vorstellen, die sich in dem Bild sozusagen versteckt zu haben scheinen. Wer des Pinsels mächtig ist, kann diese Figuren nun herausarbeiten, hier ein Gesicht auch für andere Betrachter erkennbar machen, dort einen Baum oder einen See, vielleicht ein paar Engelsflügel. Wer die Gestaltung des ursprünglichen Pouring vollumfänglich kontrollieren will, wird allerdings nicht weit kommen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Technik, dass eine gewisse Zufälligkeit mitspielt.

Wir haben es im physikalischen Sinn mit einem komplexen System zu tun, hochgradig nichtlinear und deshalb nicht vorherbestimmbar. Auch im prozessualen Sinne würde man Pouring eher in die Rubrik Zukunftsaussagen nach der Methode des Bleigießens einordnen. Jeder Manager, der sich diese wunderschönen, aber eben auch zufälligen Gebilde anschaut oder sogar mal selbst herstellt wird einsehen, dass er damit keine vorher festgelegte Gestalt oder gar ein Porträt anfertigen kann.

Als wäre es eine andere Welt, versuchen wir aber gerade im nichtkünstlerischen Umfeld genau das. Da werden Prozesse designed, Kundenreaktionen modelliert oder Marktprognosen entwickelt, als wären die Acrylfarben auf der Palette und der Werkschaffende hätte einen Pinsel in der Hand. Doch genau das hat er nicht. Vielmehr sind die Zutaten (Acrylfarben) zwar präzise definiert, doch spätestens durch Einbringen in ein Umfeld (Pouring-Medium) ist der finale Farbverlauf nicht mehr zuverlässig kontrollierbar.

Eine gewisse Hilfe ist das Verständnis, dass es sich um ein komplexes oder tendenziell sogar chaotisches System handelt. Hierzu gibt es per Definition keine geschlossene Lösung, sondern nur ein iteratives Herantasten an eine Lösung. Und daneben die Option, das Beste daraus zu machen. Das ist analog zum Ausmalen des Pouring-Bildes durch den Künstler zu sehen. Haben wir ein mehr oder weniger zufällig entstandenes System vorliegen ist es der Kreativität der Prozessgestalter und Manager überlassen, hierin die relevanten Punkte zu betonen (auszumalen) und so zu einem attraktiven Zustand zu führen.

Mittwoch, 25. September 2024

Parieren – oder: Kann ein Bär Gedanken lesen?

Heinrich von Kleist beschreibt in den Berliner Abendblättern (Über das Marionettentheater) eine Szene, in der der Erzähler zum Fechten gegen einen Bären antritt. Dabei erlebt er eine Überraschung:

Nicht bloß, daß der Bär, wie der erste Fechter der Welt, alle meine Stöße parirte; auf Finten (was ihm kein Fechter der Welt nachmacht) gieng er gar nicht einmal ein: Aug’ in Auge, als ob er meine Seele darin lesen könnte, stand er, die Tatze schlagfertig erhoben, und wenn meine Stöße nicht ernsthaft gemeint waren, so rührte er sich nicht.

Kann ein Bär also in die Zukunft sehen oder Gedanken erraten? Tatsächlich nicht, die Ursache liegt an einer anderen Stelle. Wenn wir bei der Bewegung schon den Rückzug einplanen, verlagern wir unser Gleichgewicht anders, wir dürfen es nicht in Richtung Bär verschieben, denn sonst würden wir uns ja im Endeffekt auf ihn zu bewegen. Da wir aber nur auf ihn zu und direkt wieder zurückweichen wollen, muss unser Schwerpunkt sozusagen hinten bleiben. Und genau das kann man von außen sehen, kann der Bär für die Ernsthaftigkeit unseres Angriffs interpretieren.

Nun wird kaum jemand von uns regelmäßig mit Bären kämpfen und es ist auch eher unüblich, dass in Bürogebäuden mit dem Florett gefochten wird. Aber auch in der Kommunikation oder allgemein im Umgang miteinander finden wir dieses Phänomen wieder. Und wir kennen hierfür den Begriff der Schlagfertigkeit. Wir sind Schlag-fertig, Schlag-bereit, Schlag-willig. Wer nur mal vorsichtig kitzeln möchte, der ist nicht schlagfertig und muss sich nicht wundern, dass der Bär gegenüber uns nicht ernst nimmt und nicht von der Stelle bewegt.

Die innere Einstellung, eine Finte, einen Scheinangriff oder einen wirklich (eingeleiteten) Angriff kann man bei sorgfältiger Betrachtung unterscheiden. Egal ob körperlich oder verbal.

Quintessenz: Wenn man zuverlässig seinen Gegenspieler bewegen will, dann muss man auch von innen heraus angriffsbereit sein. Plagen uns Skrupel oder wollen wir einen Kampf eigentlich vermeiden, wird ein entsprechend sensibler Gegner dies registrieren und die Attacke als harmloses Scheingefecht abtun. Andererseits muss man aber als potentiell Angegriffener sorgfältig beobachten, ob der Gegner wirklich auf uns losgeht oder nur aus seiner Position heraus mit den Fäusten wackelt.

Mittwoch, 18. September 2024

Die universelle Sprache

Schon seit Jahrtausenden gibt es immer wieder den Antritt, eine universelle Sprache für alle Menschen anzubieten, zumindest für eine möglichst große Fraktion. Esperanto ist so ein Konstrukt, das aber nie so richtig in der offiziellen Praxis angekommen ist. Jetzt scheinen wir der Sache aber ein gutes Stück näher gekommen zu sein. Und der Erfinder dieser Universalsprache scheint aus Schweden zu kommen. Oft kopiert doch nie erreicht wird hier ein Hybrid von Landessprache und Universalkommunikation etabliert.

Wer schon mal ein Möbelstück von Ikea zusammengebaut hat weiß, was ich meine. Man findet einerseits Sicherheitshinweise in 24 Sprachen auf festklebenden Etiketten, deren Entfernung entweder viel Zeit kostet oder nach rund 10 weggerubbelten Sprachen frustriert abgebrochen wird. Und die eigentliche Aufbauanleitung kennt dann gar keine Texte, vielmehr Zeichnungen, Nummern, Strichmännchen, Pfeile und Satzzeichen. Mal ein Ausrufezeichen zur Betonung der Wichtigkeit, mal ein Pfeil zur Markierung des betroffenen Bauelementes, mal ein Strichmännchen mit Glühbirne über dem Kopf für eine zu gewinnende Erkenntnis.

Das ist sie, habe ich spontan gedacht. Das ist die universelle Sprache, die wir uns doch alle erträumt haben. Auf der ganzen Welt kann man die Zeichnung einer Bodenplatte und einer Seitenwand mit Pfeilen, ermunterndem Strichmännchen, Nummerierungen und Reihenfolgen eindeutig interpretieren. Ob Chinese oder Ostfriese: Erst die Dübel in die Bodenplatte stecken, dann die Zapfen der Seitenwand in die Exzenter einführen. Doch halt! So einfach ist es eben doch nicht. Manche Zeichnungen sind für Laien genauso wenig eindeutig wie ein mit Fachbegriffen und Beschlagsbezeichnungen gefüllter Text. Anders formuliert: Auch in der universellen Sprache der Piktogramme und Zeichen kann man nuscheln oder deutlich sprechen.

Und so hat sich leider die grundsätzliche Idee der Wissensvermittlung mit Strichzeichnungen schon weit verbreitet, die bildsprachliche Qualität aber nicht unbedingt weiterentwickelt. Ein schönes Beispiel einer unverständlichen Bilddarstellung fand ich vor ein paar Tagen als Aufdruck auf meinem Staubsauger. Es bleibt offen oder zumindest großer Interpretationsspielraum, was mit dem Bild gemeint sein könnte. Wie stets trifft auch hier die Empfehlung zu, dass man seinen Text, sein Bild, sein Produkt erst mal bei unvorbereiteten Rezipienten testen sollte.

Dienstag, 10. September 2024

Vorher-Spüler und Nachher-Spüler

Ein Freund von mir hat ein ganz spezielles Charaktermodell entworfen. Er unterteilt die Menschheit in Vorher-Spüler und Nachher-Spüler. Stellen wir uns vor, wir wollten ein Abendessen bereiten, stehen in die Küche und treffen zunächst auf einen hohen Berg ungespültes Geschirr, noch restgefüllte Kopftöpfe, verdreckte Pfannen und und gebrauchte Gläser. Ungerührt geben wir uns erst mal an die Reinigung der Utensilien, vielleicht auch nur der für die Bereitung notwendigen, und beginnen begleitend mit dem Kochen. Vor dem Servieren sind Geschirr und Besteck bereit, die verwendeten Töpfe vom Herd auf die Ablagefläche verschoben.

Die andere Fraktion der Menschen holt das blanke Topfwerk aus dem Schrank, kocht darin, spült noch während der Zubereitung die nicht mehr benötigten Pfannen und hinterlässt die Küche pünktlich zum Servieren in aufgeräumtem Zustand. Das sind die Nachher-Spüler; wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen ist alles in arbeitsbereitem Zustand, wer anschließend hier tätig werden muss kann sofort loslegen.

Vorher-Spüler und Nachher-Spüler

Beide Herangehensweisen haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Und lassen sich sogar zu einem gewissen Grad kombinieren. Das kann situationsbezogen sein, zum Beispiel wenn Gäste kommen, das kann rezeptbezogen sein, zum Beispiel wenn man Suppe kocht. Oder abhängig von den Randbedingungen, wenn man zum Beispiel eine Spülhilfe hat.

Aber grundsätzlich bietet das Zusammenkommen dieser unterschiedlichen Typen Konfliktpotential. Beide Seiten vertreten ihre gewohnte Manier vermutlich recht vehement und denken gar nicht daran, das aus ihrer Sicht bewährte Verfahren zu ändern. Da fühlen sich die Nachher-Spüler übervorteilt, weil sie die Küche ja gereinigt hinterlassen und von den Vorher-Spülern (die ja in diesem Fall keine Arbeit haben) ein Durcheinander hinterlassen bekommen. Während die einen also doppelte Arbeit haben, können sich die anderen auf den eigentlichen Job - das Bereiten der Malzeit - konzentrieren.

Das kommt einem doch bekannt vor, mehr oder weniger ausgeprägt gibt es diese Aufteilung doch auch im Arbeitsumfeld. Gebe ich die Rohdaten weiter (Vorher-Spüler) und lasse sie von dem Abnehmer filtern, sortieren, aufbereiten, prüfen oder sind die relevanten Informationen bereits aufbereitet, geeignet formatiert und damit sofort weiterverwendbar (Nachher-Spüler)?

Entscheidender Unterschied ist die Frage, wie die Arbeit an den Übergabepunkten (Schnittstellen) vorliegt. Solange der gesamte Ablauf aus einem Typus (seien es Vorher-Spüler oder Nachher-Spüler) besteht, ist es in der Regel kein Problem. Kritisch wird es, wenn der Typ wechselt und insbesondere, wenn ein Nachher-Spüler die Arbeit von einem Vorher-Spüler übernimmt.

In der Praxis stellt man fest, dass es selten reine Ausprägungen gibt. Aber jedenfalls lohnt es sich, nicht nur die Prozessschritte, deren Notwendigkeit und Reihenfolge zu betrachten, sondern sich auch Gedanken über die Qualität an den Übergabe- oder Nahtstellen zu machen. Und bei der Formierung von Teams darauf zu achten, dass die Nachher-Spüler nicht unter den Vorher-Spülern leiden.

Mittwoch, 4. September 2024

Laufen, kämpfen oder wegrennen?

Wenn man an die Fortbewegung auf unseren zwei Beinen denkt, dann kommt man schnell vom Stolzieren über das Gehen zum Laufen. Doch warum laufen wir eigentlich? Das kann bei genauerer Betrachtung eine Reihe von Gründen haben.

Da ist erst mal die reine Freude an der Bewegung. Zu viel Zeit auf dem Sofa, am Schreibtisch, im Auto oder überhaupt sitzend zu verbringend ist langweilig. Wie gut tut es da, sich mal zu bewegen, die Beine zu „vertreten“. Oder man geht als Erlebnis spazieren oder joggt durch den Wald, weil die Luft frisch ist und man in der morgendlichen Dämmerung allerlei scheue Tiere zu Gesicht bekommt. Es gibt kein explizites Ziel, keine Zeitvorgaben, bestenfalls eine „Runde“, die man vor dem Frühstück dreht.

Das geht nahtlos in die Rubrik Wettkampf über. Man will mit dem Laufen ein bestimmtes Ziel erreichen. Sei es, dass man eine bestimmte Zeit unterschreiten will, sei es, dass man eine gewünschte Fitness anpeilt. Oder sich für einen Vergleich mit anderen Läufern vorbereitet.

Laufen kann aber auch erforderlich sein, weil man selbst- oder fremdverschuldet seinen Zielpunkt sonst nicht zur vorgesehenen Uhrzeit erreicht. Vielleicht bin ich zu spät dran und muss im Laufschritt zum Bahnhof, um den Zug noch zu erreichen. Das ist dann ein erzwungener Lauf, den ich je nach Situation einlegen muss.

Ebenfalls erzwungen, aber nicht ausgelöst durch einen Fahrplan, ist das Weglaufen. Ich muss oder möchte einem Verfolger entkommen, ich will einen Ort möglichst schnell verlassen oder einen anderen möglichst schnell erreichen. Da geht es nicht um Freiwilligkeit, auch der sportliche Aspekt ist ausschließlich indirekt enthalten. Die Motivation liegt irgendwo zwischen wünschenswert und lebenswichtig.

Laufen, Kämpfen, Wegrennen

Mal ein übertragender Blick auf die tägliche Arbeit. An den meisten Tagen durchwandern wir den Tag, aber manchmal verfallen wir auch in Laufschritt. Ist es ein innerer oder äußerer Antritt, der uns beschleunigen lässt, oder haben wir einfach Lust, mehr oder schneller mit der Arbeit umzugehen?

Viele Führungskräfte sind tatsächlich begeisterte Läufer, setzen sich selbst mehr oder weniger ehrgeizige Ziele und verfolgen diese mit viel Engagement. Aus deren eigenen Einschätzung der Motivation für Laufen sind sie dann der Ansicht, mit den Mitarbeitern umgehen zu können, als wäre ein Stadtmarathon zu bewältigen. Dabei laufen manche Mitarbeiter nun mal nicht für eine Medaille, sondern für die Rehe und Füchse, die sie bei Sonnenaufgang treffen.

Wettkampf und die Aussicht auf Gewinnen und Medaillen, das will ich damit sagen, ist für den einen oder anderen ein starker Anreiz. Aber es gibt daneben noch eine Vielzahl anderer Motivatoren. Dazu kann man mal in die verschiedenen Auslöser für das Laufen und Joggen am Anfang des Artikels schauen und sie auf die Tätigkeit im Unternehmen übertragen.

Und daneben ist auch stets die Frage, ob wir überhaupt laufen müssen oder wollen. Man kann ja mal notgedrungen zum Zug spurten, aber am nächsten Tag sollte man dann einfach ein paar Minuten früher aufstehen (oder was auch immer zu diesem Umstand geführt hat). Abgeleitet vom Analogon mit dem Laufen kann man also neben der Betrachtung der Motivationsaspekte auch über Auslöser, Prozessverbesserungen und Änderung der Start- oder Randbedingungen nachdenken.

Mittwoch, 21. August 2024

Ihr müsst es dreimal sagen

ChatGPT muss es schon vor über 200 Jahren gegeben haben, denn im Original von Goethes erster Veröffentlichung von „Faust“ finden wir folgende Passage:

Faust: Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Mephistopheles: Ich bin's.
Faust: Herein!
Mephistopheles: Du mußt es dreimal sagen.
Faust: Herein denn!
Mephistopheles: So gefällst du mir.

Ihr müsst es dreimal sagen

In die heutige Zeit übertragen hört sich der Dialog so an:
Ich: Wie lautet das Tastaturkürzel, um innerhalb einer Outlook-Mail zu suchen?
ChatGPT: Verwende  Strg-F oder F4, um das Suchfeld zu öffnen.
Ich: Das funktioniert leider nicht.
ChatGPT: Entschuldigung für die Verwirrung. Das Suchfeld öffnet sich mit Strg-E. Um innerhalb einer E-Mail zu suchen verwende F3 oder Strg-H.
Ich: Das scheint immer noch nicht korrekt.
ChatGPT: Entschuldigung für die Verwirrung. Das erweiterte Suchfeld erreichst du mit Strg-Umschalt-F. Für die einfache Suche drückst du F4 oder Strg-F (wenn sich das Suchfeld öffnet und nicht die Weiterleitung aktiviert wird). In einigen Fällen könnte auch Strg-B funktionieren.

Man muss also dreimal fragen, um sich der richtigen Antwort zu nähern. Hier ist keine absichtliche Irreführung eingeschaltet, es gibt auch keine politischen Gründe, die zu den (zunächst) falschen Antworten führen. Nein, der Assistent wurde schlichtweg falsch angelernt. Und was noch schlimmer ist, er verkündet seine Meinung mit überzeugender Darstellung.

Was man in diesem Fall sehr einfach nachprüfen kann, erweist sich an anderen Stellen als deutliches Problem. Naheliegend, dass man im offenen Bereich des Internets nicht gerade lebenswichtige Empfehlungen von diesem Roboter holen sollte. Aber selbst weniger kritische Themen sind nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Um auf die Einleitung zurückzukommen sind wir alle gefährdet, einem Mephistopheles zu folgen, mehr oder weniger rauschende Feste in Auerbachs Keller zu feiern, am Ende dann aber voller Ernüchterung des Pudels Kern zu entdecken.

Mittwoch, 14. August 2024

Das Mantra der Selbstorganisation

Im Zusammenhang mit erfolgreicher Teamarbeit wird gerne der Aspekt der Selbstorganisation genannt. Das scheint der Schlüssel zu sein, um aus einer Zusammenstellung von Arbeitskräften die maximale Arbeitsleistung herauszuholen. Da wird nichts von außen vorgegeben, nur die Aufgabe genannt und ab dann passiert – plopp, magic – ein Automatismus, der zu allgemeinem Wohlbefinden führt.

Das Mantra der Selbstorganisation
Ist das so? Und warum scheitern dann Konzepte wie Kommunen und WGs oft an genau diesem Paradigma? In einer idealen Vorstellung findet jedes Mitglied einer Gemeinschaft genau die Aufgabe, die es gerne und engagiert erledigen kann. Die ihm kein anderer streitig macht, weil nur er hierfür die perfekte Besetzung ist.

Und ein weiterer elementarer Aspekt ist die Vollständigkeit der Abdeckung. Wird jede nun mal zu erledigende Tätigkeit von mindestens einer Person erledigt, dann sind alle Vorgänge gut zugeordnet. Was aber tun, wenn es lästige Sachen gibt, die keiner machen möchte. Im technischen Umfeld könnte das das Schreiben von Dokumentationen oder die Ausführung von Tests sein. In der WG ist es die Reinigung der Wohnung.

Menschlich normal gibt es aber auch unterschiedlich leistungsfähige Mitarbeiter, ja, und in der Praxis müssen wir natürlich auch die Faulpelze und Drückeberger im Auge behalten. Ist es nicht ziemlich naiv anzunehmen, dass sich solche Charaktere freiwillig und selbstständig Arbeit suchen und einen Teil der Aufgaben übernehmen?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann Selbstorganisation funktionieren. Wenn wir ein Team aus leistungsbereiten Performern haben. Mit Flexibilität bezüglich der Aufteilung. Mit der Bereitschaft, zumindest anteilig auch die ungeliebten Aufgaben zu erledigen. Mit Rücksicht auf die Belange und Möglichkeiten der Anderen. In jedem Fall aber mit einem gewissen von außen vorgegebenen Rahmen, zum Beispiel hinsichtlich Ziel, Zeitrahmen, Ressourcen und Budget.

Man kann auch mal einen Blick auf die kleinsten Teams werfen, die Partnerschaft von zwei Menschen. Schon hier ist die Aufteilung oft eine mehr oder weniger ungelöste Herausforderung, die mit regelmäßigem Streit, wenig tragfähigen Kompromissen und Unzufriedenheit einhergeht. Da mag man sich schon fragen, warum es in betrieblichen Abläufen, Softwareprogrammierung oder Sachbearbeitung besser laufen sollte.

Was aber geht, und das ist die gute Nachricht, ist das Anfertigen einer Aufstellung der Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder. Und dann erst mal diese Qualitäten nutzen, danach die verbleibenden Jobs verteilen und so eine Mischung aus mache-ich-gerne und unterstütze –ich-das-Team erreichen, die von einem merklichen Teil der Zusammenarbeitenden akzeptiert wird.