Mittwoch, 29. Dezember 2021

A Fool With a Tool Is Still a Fool

Bevor ich etwas kaufe schaue ich mich gerne im Internet um. Da gibt es zu vielen Themen Plattformen, Bewertungsportale, Benutzerforen. Erst mal werfe ich einen Blick auf die Gesamtnote bei ausreichender Anzahl der Bewertungen. Dann klicke ich mich durch die Einzelbewertungen, wobei die positiven Stimmen meist weniger interessant sind. Die ganz schlechten sind meist Ausreißer, vielleicht hat ein Kunde Pech gehabt oder selbst einen schlechten Tag. Also die nächstbessere Kategorie. Hier tummeln sich potentiell die ernstzunehmenden Probleme.

In dieser Rubrik las ich dieser Tage eine sehr kritische Beurteilung über eine Flachdübelfräse, die ich selbst seit vielen Jahren im Einsatz habe. Nun ist das ein Werkzeug, das bei Tischlern üblich ist, bei Amateuren aber eher zur erweiterten Werkstattausstattung gehört. Entsprechend ist diese Käufergruppe meist nicht routiniert in der Bedienung und weiß nicht, auf was es bei der Handhabung ankommt (und auf was nicht).
Mit sehr deutlichen Worten wurde die Präzision bemängelt und wortreich dargestellt, dass mit dieser Maschine keine passgenauen Verbindungen herzustellen seien. Als Profi kann ich dazu sagen, dass dies bauartbedingt nicht stimmt und insofern ein Bedienungsfehler vorliegt. Bemerkenswert für mich, dass jemand nicht nur zu ungeschickt ist, um die Fräse nutzbringend zu verwenden, sondern seine eigene Unfähigkeit auf die Maschine schiebt und dies zur Krönung auch noch im Internet posaunt.

Ach, dachte ich mir, jedes Werkzeug ist nur so gut wie die Person, die es benutzt. Oder wie das angelsächsische Sprichwort sagt: „A Fool With a Tool Is Still a Fool“. Da ist schon was dran, und in Zeiten von allerlei Social Media ist es leider eben nicht nur ein Narr, sondern auch noch ein potentieller Beeinflusser mit großer Reichweite. Wer sich nicht auskennt – und das dürften die meisten sein, die Bewertungsportale aufsuchen – der glaubt ja erst mal, was er da liest.

Und natürlich muss ich mich auch selbst fragen, ob die Meinung, die ich gerade zu einem Thema oder einer Sache äußere, ob diese Meinung nicht auch die Sicht eines Fools ist. Möglicherweise merke ich gerade nicht, dass ich selbst die bemängelte Eigenschaft verursache oder ein Fehler oder eine Fehlbedienung meinerseits vorliegt.

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Dienstag, 21. Dezember 2021

Software-Upgrade im Kopf

Da sitzen dann die ganzen Fachleute zusammen. Grübeln und diskutieren neue Funktionalitäten. Sowohl fachliche Aspekte als auch technische Überlegungen fließen ein. Am Ende entsteht die neue Version einer vorhandenen Software.
Wir ziehen eine Station weiter und schauen nun den Projektleitern über die Schulter. Wieviel Aufwand wird in der Neukonzeption stecken, welche Personen werden gebraucht. Natürlich auch Fragen zur Dauer, zu den Kosten.
Dann die Architekten. Sie vertiefen sich in die Einbindung in die Software-Landschaft, Datenquellen und –abnehmer spielen eine Rolle. Wie könnte die Migration vorhandener Entitäten vorgenommen werden, was passiert mit den alten Daten.
Die Entwickler schließlich, die die Vorstellungen und Anforderungen in Computersprache übersetzen. Module werden programmiert, zusammengefügt und getestet. Vom Papier auf den Bildschirm.

Alles soweit bekannt. Jetzt der neue Aspekt. Ersetzen wir doch mal in der Beschreibung das Zielsystem Computer durch das Zielsystem Mensch.
Die Projektleiter berücksichtigen, wie die neue Version der Software bei den Anwendern ankommt. Wieviel Aufwand entsteht in der Umprogrammierung der Menschen, die vor dem Bildschirm sitzen. Wie lange dauert es, bis sie sich an die neue Bedienung gewöhnt haben. Was kostet die Umstellung, neben Trainings auch die verringerte Benutzungsgeschwindigkeit.
Im Sinne der Architektur müssen die Assoziationen im Gehirn angepasst werden, der bisherige Ablauf muss geändert werden.
Als Veränderungs-Paradigma schlage ich auch hier agiles Vorgehen mit Fortschritten in Sprints vor. Wobei parallel zu den Sprints in der Computer-Software auch Sprints mit Reviews auf Seiten der Anwender vorgenommen werden.

Beim Upgrade einer App ist also nicht allein der Aufwand auf technischer Seite wichtig. Auch die Kalkulation von Schulungsaufwand geht noch nicht weit genug. Nein, es braucht einen parallel laufenden Entwicklungsstrang, der sich mit dem Upgrade der Gehirn-Software beschäftigt. Er muss geplant und analog zur Computer-Seite durch ein professionelles Projektmanagement gesteurt werden. Was Controller freuen dürfte: Man kann diesen Change mit Zahlen und Kosten unterlegen, ihn also budgetär planbar machen.

Wie bei technisch komplexen Systemen gilt aber auch hier der Grundsatz „never change a running system (unless it is absolutely necessary)“.

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Mittwoch, 15. Dezember 2021

Nach fest kommt lose

Erfahrung jedes Handwerkers: Man kann eine Schraube anziehen, und weiter anziehen und noch mal ein Ruck… dann ist das Gewinde perdu. Ab diesem Punkt  wird es mühsam, größere oder längere Schraube suchen, Gewinde neu schneiden, kitten, schweißen, dübeln.
Diese alltägliche Szene kann man in Richtung Persönlichkeit, aber auch in Richtung Prozessoptimierung übertragen.

Jeder Mensch hat seinen Charakter, ein paar gute und ein paar schlechte Eigenschaften. Das eine oder andere kann man beeinflussen, daran „herumschrauben“. Doch weder das fortwährende Herumschrauben tut gut (um im Bild zu bleiben: dann leiert das Gewinde irgendwann aus) noch sollte man zu fest anziehen. Man kann es leicht übertreiben. In der Mechanik würde ich einen Drehmomentschlüssel empfehlen, bei der eigenen Weiterentwicklung ist der behutsame und aufmerksame Umgang mit sich selbst bei Veränderungen ratsam.

Und bei Unternehmen. Ähnlicher Fall, Abläufe verbessern und Hindernisse entfernen ist positiv zu bewerten, auch die Straffung von Einheiten kann je nach Situation sinnvoll sein. Aber wenn man den Bogen überspannt und zum Beispiel Einheiten dauerhaft überlastet, kann das ganze System darunter leiden. Wie beim Handwerker kann man auch eine fehlende Schraube nur selten dadurch kompensieren, dass man die verbleibenden Schrauben fester anzieht. Wenn also Teile der Wertschöpfungskette zu schwach dimensioniert sind, dann ist das nicht durch Erhöhung des Arbeitstaktes zu kompensieren.

Jedenfalls kommt nach Ansporn der Umsetzer und Steigerung der Produktivität ein Punkt, an dem die Gesamtleistung trotz weiterer Erhöhung des Druckes wieder abnimmt. Nicht nur dass, sie kann sogar kollabieren (Im Bild: Das Gewinde ist zerstört). Das notwendige Regenieren und Zurückführen der Organisation in einen arbeitsfähigen Zustand ist ein überraschend schwieriger und teurer Prozess, den es unbedingt zu vermeiden gilt.

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Mittwoch, 8. Dezember 2021

Wasser kann man nicht aufhalten

Als Bub war ich manchmal bei meinem Onkel; Die Wiese zum Wald hin war leicht abschüssig in Richtung Haus, darauf ein paar Gräben, die sich nach kräftigen Regenfällen mit Wasser füllten und es seitlich am Haus vorbeiführten.
Ich liebte es, mit Gummistiefeln in den Bächlein und Rinnsalen herumzulaufen, mal hier und mal dort einen Staudamm zu bauen und so dem Wasser Einhalt zu gebieten. Doch egal, wie ich es anstellte und auch mit zunehmendem Alter gelang es mir nicht, das Wasser komplett aufzuhalten. Es kam in kleinen Mengen, aber unermüdlich den Hügel heruntergelaufen, sammelte sich auf der Wiese und höchstens mit einem ausgewachsenen Becken hätte ich hier etwas ausrichten können.
Sitze ich heute im Büro, dann denke ich gerne an diese Tage im Nieselregen zurück. Konnte ich doch herrlich spielen, obwohl das Wetter aus der Sicht von Erwachsenen gar nicht attraktiv war. Und mehr noch denke ich daran, was ich da gelernt habe: Dass ich Wasser nicht oder nur mit großer Mühe aufhalten kann. Ich kann es nur umleiten, zum Beispiel um das Haus herum. Und andererseits steckt auch viel Kraft in solch einer Wassermasse, die das Haus beschädigen, andererseits aber auch Strom liefern kann.

Wir erleben dieses Phänomen täglich, wenn sich Menschen etwas in den Kopf gesetzt haben, gemeinsam einer Sache nachgehen. Wie leicht kann aus solch einer Bewegung eine gefährliche Lawine werden, die man sicher nicht aufhalten kann. Entweder geht man in Deckung und zieht sich – im Bild bleibend – Gummistiefel an, oder es gelingt, die enorme Kraft zu lenken.

In kleineren Gemeinschaften, Gruppen oder Unternehmen gilt dieser Grundsatz aber ebenso.

Auch (aus Sicht der Gesellschaft) Kriminelle wie zum Beispiel Bankräuber haben teilweise bewundernswerte Qualitäten in Organisation, Beobachtung, Feinplanung und Umsetzung; eigentlich sind sie so eine Art Projektleiter. Man kann ihre Energie nicht aufhalten, aber im Idealfall umlenken. Im Allgemeinsinn nützliche Dinge organisieren, dabei Improvisation und Detailplanung nutzen.

Und ganz allgemein die Schaffenskraft fördern, gleichzeitig aber auch überlegen, wo man die vorhandene Energie für beide Seiten besonders wertschöpfend einsetzen kann. Soviel zum Grundgedanken des Managements, aber wer beherrscht das schon?

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Mittwoch, 1. Dezember 2021

Leben im Kleeblatt (2)

Vor zwei Wochen habe ich etwas zu meinem Leben im menschlichen Kleeblatt geschrieben. Umgeben von dem, was ich „normal“ finde, was also in meinem Umfeld gängig ist. Und dafür geworben, mal einen Blick in die Nachbar-Kleeblätter zu werfen.


Aber es gibt einen weiteren Aspekt, den man sich durch den Kopf gehen lassen kann. Lebe ich überhaupt in dem für mich richtigen Kleeblatt? Nehmen wir mal an, ich wäre durchschnittlich verdienender Angestellter und würde aus irgendwelchen Gründen in die High Society geraten. Dann säße ich auf einer Yacht in Saint-Tropez, bekäme den ganzen Tag Cocktails und würde mit Geschichten über Privatjets und Oldtimer-Sammlungen unterhalten. Das fühlt sich ganz schön fremd an, ein paar Tage im Sinne von Urlaub wären sicherlich schön, aber dann kommen Langeweile und Minderwertigkeitsgedanken. Es ist eine ganz eigene Gesellschaft, in die ich nicht hineinpasse.

Andersherum natürlich genauso, wenn ich von der oben skizzierten Ausgangssituation in die Szene der Obdachlosen wechselte. Übernachten auf der Straße, arbeitsloses Abhängen mit Kumpels und mein billiger Rotwein wären die Tageselemente. Für begrenzte Zeit kann man sich auch hier einen Besuch in der Parallelgesellschaft vorstellen, aber auch dort bin ich nicht zu Hause.

Beide dargestellten Richtungen sind natürlich eher extreme Beispiele, aber auch schon kleine Veränderungen, ein Umzug in ein anderes Viertel mit anderen Nachbarn, eine andere Arbeitsstelle oder innere (charakterliche) Entwicklungen können eine mehr oder weniger umfassende Wandlung  hervorrufen. Und plötzlich lebt man im falschen Kleeblatt, was im Laufe der Zeit zu Unzufriedenheit führt.
Da heißt es nachjustieren, immer wieder zu fragen, ob mein Umfeld adäquat ist und nach einer ehrlichen Analyse bei Bedarf auch Konsequenzen zu ziehen.

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Mittwoch, 24. November 2021

Power is nothing without control (à la Gartner)

In seltenen Fällen haben Werbesprüche geradezu philosophische Qualitäten. Als Pirelli im Jahr 1994 für seine Reifen den Slogan „Power is nothing without control“ ausgab, wollte das Unternehmen im Wesentlichen auf die Traktion und den Grip seiner Produkte hinweisen.

Aber ich finde, der Spruch passt auch an vielen anderen Stellen. Beispielsweise beim menschlichen Charakter. Innere Stärke ist eine gute Sache, aber wenn man sie nicht kontrollieren kippt sie leicht in Starrheit und Dominanz, möglicherweise auch sich selbst gegenüber.
Oder ein kräftiger Körper: Da denke ich an die Riesen aus Märchen, die ungewollt Dinge zerstören, unbeabsichtigt filigrane Gegenstände kaputt machen. Cholerische Charaktere, die plötzliche Wutausbrüche haben, die weit über Temperament hinausgehen.

Übrigens trifft die Forderung nach Kontrolle sowohl positive als auch negative Eigenschaften. Mit körperlicher Schönheit (als Beispiel für positive Seiten) kann man Menschen für sich gewinnen; Sie damit zu manipulieren ist ablehnungswürdig.
Andererseits können polarisierende Menschen einerseits für Bürgerkriege, andererseits für klarere Stimmungsbilder sorgen.

Anders ausgedrückt gehört zu jeder Qualität (bzw. Ausprägung) – insbesondere den Stärken - auch die Beherrschung, sonst ist es „nothing“.

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Mittwoch, 17. November 2021

Leben im Kleeblatt (1)

Wäre ich ein Kaninchen, würde ich vielleicht in einem Kleeblatt leben. Ein großes Autobahnkreuz, in den Straßenbögen Grünflächen. Meine Heimat. Ich wäre dort geboren, hätte meine Höhle und meine durch die Jahreszeiten wechselnden Malzeiten. Ich hätte Nachbarn, andere Kaninchen, die auf dieser von Autostraßen begrenzten Fläche leben. Vielleicht auch andere Tiere, die entweder hier heimisch sind oder die Straße überquerend temporär in meinem Lebensraum vorbeischauen.

Die Fläche, auf der ich herumhoppelte wäre recht begrenzt, aber sie reichte mir für mein Leben. Ich hätte alles, was ich brauche, würde sicher auch eine Partnerin finden und für Nachwuchs sorgen. Die Grenzen wären spürbar, aber nicht wirklich hinderlich. Oder das Kleeblatt so groß, dass ich die Straßen gar nicht wahrnehme, vielleicht gibt es nach einiger Hoppelei ein Ende, was ich aber nie merkte.

Aber so oder so gäbe es eine Welt jenseits der Straße. Eine große Welt sogar, nur dass ich diese nie erlebte. Entweder, weil mir gar nicht klar würde, dass es etwas außerhalb des Kleeblattes gibt, oder weil sie mir völlig fremd wäre. Für meine Sprünge und kleinen Lüste wäre ich ja versorgt und der positive Effekt, dass auch Feinde eher selten über die Straße in mein Revier eindringen.

Geradezu philosophisch, lebe ich doch auch in meinem Menschen-Kleeblatt. Und die begrenzenden Straßen sind in meinem Leben möglicherweise Landesgrenzen. Aber viel eher sind es die Schichten, zum Beispiel der Bildung oder des Wohlstandes. Als Abstinenzler habe ich keinen Kontakt zu Alkoholikern, als Angestellter scheinen Selbständige fremd. Oder ich habe als Hundebesitzer kein Verständnis für Hundegegner, Nichtraucher stehen höchst selten mit Rauchern zusammen.

Zentral also das Verständnis, dass jeder von uns in einer Schnittmenge gewisser sozialer Strukturen lebt, andere Gesellschaften gar nicht oder nur peripher kennen lernt. Es ist sozusagen ein eigener Kosmos. Und ich lade ein, gelegentlich vergleichbar einem Urlaub, in dem man fremde Länder kennenlernt, auch die Gestirne seiner Mitmenschen zu erforschen: Ganz vorsichtig die das eigene Kleeblatt begrenzenden Straßen überqueren.

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Mittwoch, 10. November 2021

Große und kleine Muskeln


Ich habe mich mit meinem Physiotherapeuten unterhalten. Der unterscheidet zwischen großer und kleiner Muskulatur, mit einfachen Worten ausgedrückt etwa die Differenzierung zwischen Kraft und Balance. Wir brauchen unbedingt beides, sonst können wir zwar schwere Gegenstände heben, verlieren aber dabei das Gleichgewicht.

Transfer für Unternehmen.

(1)    Man braucht unbedingt Prozessketten, das sind die großen Muskeln. Schließlich will man etwas bewegen, Geschäft machen.

(2)    Andererseits aber auch die Einheiten, die zwar auch Muskeln sind, also etwas bewegen, aber im Wesentlichen zur Ergänzung und für die Geschicklichkeit zuständig sind.

(3)    Das Verhältnis muss stimmen. Trainiert man nur die große Muskulatur, dann agiert das Unternehmen wie ein breitschultriger Bodybuilder. Konzentriert man sich zu sehr auf die kleinen Muskeln, dann hat man schlimmstenfalls ein komplexes Produkt, das keiner kauft.

(4)    Man muss die Ziele und die Zielgruppe im Auge behalten. Es gibt Frauen, die finden muskulöse Männer attraktiv, andere bevorzugen filigrane Tänzer. Wen will ich ansprechen?

(5)    Was das richtige Maß ist, bestimmt auch das Produkt als solches. Konservative Märkte werden eher stabile Produktionskette verlangen, agiles Umfeld erwartet Wendigkeit und gekonntes Parieren wechselnder Randbedingungen.

Daraus leiten sich die Hausaufgaben für die Strategieerstellung ab. Wie im Fitnessstudio: Ohne Trainer und Anleitung geht es nicht. Und auch nach sorgfältiger Analyse und Erarbeitung eines Zielbildes braucht man unbedingt eine fortlaufende Kontrolle. Die Mischung muss auch bei verändertem Markt stimmen und ganz wichtig immer wieder der Hinweis, was man machen oder vermeiden sollte – sonst kommt es zu schmerzhaften Zerrungen oder anderen Schäden.

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Dienstag, 2. November 2021

Vielen Dank für die Blumen

Ich bekenne mich als Tom-und-Jerry-Fan. Diese amüsante Hassliebe, diese Diskrepanz zwischen Necken und Jagen, die finde ich immer wieder reizvoll. Und zum Schluss dann immer die Szene mit Tom und dem Blumenstrauß. Irgendwie süß.

Und irgendwie vergleichbar zum täglichen Leben. Eine Kunst, sich gegenseitig nicht nur liebevoll in den Armen zu liegen, sondern sich ganz im Gegenteil genüsslich in die Pfanne zu hauen und zum Schluss dann eben doch Blumen zu schenken. Oder es zumindest ernsthaft zu versuchen.

Tolles Modell, aber es geht natürlich nur auf einer sehr tief verwurzelten Basis, gegenseitiger Wertschätzung und ehrlichem Respekt für die Individualität. Eine Katze wird niemals den Charakter einer Maus haben (und vice versa). Sie ist also zweifelsfrei die schlechtere Maus, aber nicht zwingend eine schlechte Katze.

„Jede Jeck is anders“, weiß der Kölner und bringt mit dieser Aussage auf den Punkt, dass es unmöglich ist, an die Eigenschaften eines anderen Menschen einen Maßstab anzulegen. Man ist nicht besser oder schlechter, halt anders. Und wer weiß, eigentlich kann sich in manchen Szenen auch die clevere Maus Jerry etwas vom tendenziell ungeschickteren Kater Tom abschneiden. Offenheit für die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit vorausgesetzt.

Und das sollte dann auch in beiden Richtungen mal einen Strauß wert sein.


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Mittwoch, 27. Oktober 2021

Schlagen wir uns durchs Meeting

Als Schlagzeuger weiß ich: Wir geben die Geschwindigkeit vor, bilden das rhythmische Rückgrat der Musik. Und damit ist das Schlagzeug ein wichtiges, zentrales Instrument. Mehr noch, es geht um den Takt, die Stabilität und Wiederholung in immer gleicher Dauer.

Als weiterer Aspekt kommt noch die Unterstreichung der Struktur hinzu. Die Einleitung (Intro), der Basisrhythmus (Groove), der Wechsel zwischen Strophe und Refrain. Dazu meist der Einsatz von Signalen (Crashbecken) beim Übergang in einen neuen Abschnitt. Schließlich als gängiges Stilmittel ein Einschub (Fill-in), normalerweise vor der Rückkehr in den Basisrhythmus.

Genau darauf möchte ich hinaus. Man kann so ein Fill-in aufwändig und voller wilder Trommelwirbel und unter Verwendung aller Becken spielen. Oder einfach mal aussetzen, eine kurze Pause, in der man den anderen Musikern die Bühne lässt, um dann wieder kraftvoll einzusteigen.

Ich habe überlegt, ob das nicht auch für Meetings gilt. Man ist dabei, Teil eines Teams (analog zur Band) und ist vielleicht als Fachmann eine Art Rückgrat der Besprechung. Steuert die Geschwindigkeit (soweit das Team mitgehen kann) und je nach Gelegenheit sorgt man auch für ein gutes Timing. Jedenfalls spielt man mit, sorgt für den Einstieg und gibt zu diesem oder jenem Aspekt seine Meinung zum Besten. Und das Fill-in? Es ist die Kür, und völlig berechtigt gibt es ja das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ Nur Achtung: Wie beim Schlagzeugspielen geht es nach dieser kurzen Ruhephase weiter, sie darf also nicht das Ende der Sitzung bedeuten. Kein Schlagzeuger steht vor Ende des Titels auf und verlässt die Bühne.

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Mittwoch, 20. Oktober 2021

Spielfreude der Customer Journey

Stellen Sie sich ein Team vor, das Spaß an der Arbeit hat. Freude, etwas zu schaffen, Feier des  gemeinsam erreichten. Da mag in den Prozessabläufen hier und da eine kleine Unregelmäßigkeit sein, vielleicht ist auch die Expertise stellenweise lückenhaft. Aber das macht nichts, trägt doch der Enthusiasmus die Gruppe voran.

Kennen wir doch von Bands auf der Bühne. Da gibt es auch diese routinierten Profis, bei denen jeder Griff in die Saiten perfekt stimmt, konzentriert und fehlerfrei wird die Musik dargeboten. Ich stehe vor der Bühne, staune über die Präzision, wirklich jeder Akkord, jedes Detail ist wie auf der CD, die ich zu Hause gehört habe. Aber irgendwie fehlt die Lebendigkeit, das Einbinden von Emotionen, von der heutigen Stimmung.

Ganz anders die Vorgruppe, eine bunte Mischung von Amateuren. Okay, der Drummer hatte mal einen kleinen Aussetzer und der Sänger vor lauter Begeisterung seinen Einsatz verpasst. Aber dieses Strahlen, dieses Hüpfen von einer Seite zur anderen, dieses glaubwürdige Bedauern, als sie dem Hauptact die Bühne überlassen mussten: Das hat mich mitgerissen und eigentlich hätte ich viel lieber noch weiter dieser Spielfreude zugeschaut und zugehört.

Begeisterung kann man nicht kaufen, weder beim Musikkonzert noch im Unternehmen. Aber hier wie da ist sie die Triebfeder, die aus guter Qualität ein nachhaltiges Erlebnis macht. Und vielleicht ist es für die Unternehmensberater eine gute Anregung, wenn sie mal wieder von Customer Journey sprechen. Ist diese Reise der routinierte Ausflug mit einem gelangweilten Reiseleiter oder ein einmalig (schönes) Erlebnis gleichermaßen von Kunden und Anbietern?

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Mittwoch, 13. Oktober 2021

Alle meine Künstler

Trotz vielerlei Bemühungen scheint es ausgesprochen schwierig zu sein, den Begriff der Kunst allgemeingültig und alltagstauglich zu definieren. Doch völlig unabhängig sind wir uns einig, dass Kunst in verschiedenen Ausprägungen vorkommt. Ich nenne es Ausdrucksformen (z. B. Malerei, Musik, Literatur und so weiter) und lasse dabei offen, ob es sich bei einem Produkt um ein Werk oder eben ein Kunstwerk handelt.


Was die Ausdrucksformen verbindet sind die Qualitätsstufen. Auch das größte Malereigenie hat mal mit Kritzeln angefangen, die ersten Choreografien eines Tänzers sind unbeholfenes Tapsen. Und dann die Lernphase, das Nachahmen wie beim Erlernen der Schreibschrift. Wie in der Grundschule sieht das Ergebnis (im Idealfall) erst mal bei allen Schülern gleich aus, doch rasch differenziert sich das Schriftbild. Die Schrift formt sich, wird individuell und ein Spiegel des Charakters. Nicht anders auch in der Musik, wo auf den „strengen“ Klavierunterricht eine Phase der persönlichen Note, der Individualisierung, folgt.

Im nächsten Schritt wird es dann professioneller, die Technik steht nicht mehr im Vordergrund. Wie man einen Pinsel hält, welche Aspekte bei der Farbwahl und dem Malmittel zu beachten sind, das alles ist in Fleisch und Blut übergegangen. Der Schwerpunkt verschiebt sich in Richtung Interpretation einer Vorlage, Variation nach eigenen Vorstellungen. Der Schriftsteller könnte nach Lektüre eines Buches auf die Idee kommen, den Plot auf seine Art aufzubereiten und die Geschichte aus einer anderen Perspektive nachzuerzählen.

Dem Nachahmen und Variieren folgt das Verstehen der Grundregeln, die die Basis der gewählten Ausdrucksform bilden. Die Struktur eines Musikstückes, die Aufteilung in Abschnitte, Takte, Wiederholungen und Rhythmen können in ihrer Ausprägung modeabhängig sein, weitgehend zeitlos ist jedoch die im (europäischen) Kulturkreis verankerte Harmonielehre. Der Meister der Pinsel wird sich eher an Proportionen und Farbkreisen orientieren, der Hüter des guten Wortes an rhetorischen Mitteln.

Und schließlich – die Kür – wird aus der eingängigen und leicht verdaulichen Musik der Jazz, der dem Zuhörer möglicherweise eine ausgewachsene Portion Beschäftigung abverlangt. Es ist das Pendant zur abstrakten Malerei, nichts ist konkret zu erkennen, aber es gehorcht bestimmten Regeln und in den meisten Fällen ist es eine sehr komprimierte Darstellung. In der Schriftform kennen wir diese Kompression als Gedicht.

So sind sie, die Künstlerinnen und Künstler: Menschen, die in ihrer eigenen Welt leben, eine eigene Sprache (Ausdrucksform als Kommunikationsmittel) sprechen und eben auch einen unterschiedlich großen Wortschatz haben. Und um im Bild zu bleiben ist auch hier eine Verständigung aufgrund von Dialekt oder gar Fremdsprache möglicherweise schwierig oder unmöglich.

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Mittwoch, 6. Oktober 2021

Sorgen à la Gartner

Gartner macht das Leben leicht: Alles wird in die bekannten vier Quadranten geteilt, geeignete Achsenbeschriftung dran und los geht’s. Wir wollen heute mal das Thema Sorgen in solch eine Darstellung überführen und überlegen, was für Schlüsse wir daraus ziehen können.

Als Raster wählen wir eine Matrix mit den Achsen Relevanz und Beeinflussbarkeit. Auf der x-Achse also die tatsächliche Bedrohung, der Impact für uns, unser Leben, unsere Situation. Auf der Ordinate dann die Möglichkeit, auf die Sorge Einfluss zu nehmen.


So würde man beispielsweise die Angst vor dem Tod als nicht beeinflussbar einstufen und auch einräumen, dass er zentrale Relevanz für unser Leben hat. Damit sortieren wir ihn in die untere rechte Ecke. Man kann versuchen, ob man auf Punkte in diesem Quadranten doch Einfluss nehmen kann (und damit nach rechts oben zu kommen). Oder inwieweit die persönliche Relevanz oder das Gefahrenpotential zu hoch eingeschätzt wird. Aber grundsätzlich ist hier die Strategie, mit dieser Sorge zu leben, sie zu akzeptieren. „Das Unvermeidliche mit Würde tragen.“

Dann gibt es Ängste, die sich zwar unserer Steuerung entziehen, die aber geringeren konkreten Einfluss auf uns haben. Durchaus denkbar, dass man einen guten Freund verliert, dass einem ein Ratgeber und Partner verloren geht. Die Möglichkeit sollte man im Sinne von Risikomanagement akzeptieren, die Angst vor diesem Szenario jedoch nicht überhand nehmen lassen. Auch hier ist die zentrale Strategie die Akzeptanz, den Umgang kann man als Verdrängen bezeichnen.

Obere Reihe, also die mehr oder weniger beeinflussbaren Sorgen. Rechts diejenigen mit hoher Relevanz, da können wir sehr gut ansetzen. Die Auslöser analysieren und weitestgehend beseitigen verschiebt diese Punkte in Richtung niedrigerer Relevanz (also nach links) oder sogar in die Sorgenfrei-Zone. Und wenn wir die Ursachen nicht ändern können oder wollen ist noch eine Erleichterung durch Neubewertung (z. B. Love-it / Change-it / Leave-it) möglich. Jedenfalls lässt sich dieser Quadrant relativ leicht entleeren und mit recht geringem Aufwand managen: In anderem Zusammenhang würde man von Quick-wins sprechen.

Schließlich die gut beeinflussbaren Ängste, die für uns kaum eine tatsächliche Relevanz haben. Natürlich kann man sich um alles Sorgen machen, was auf diesem Erdball passiert. Auch lokale Vorfälle im Ausland lassen sich in seelische Pein überführen. Aber genau hier können wir ansetzen und dafür sorgen, aus Erkenntnissen die Angst herauszunehmen, sie nur als eventuell bedauerliche Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Zentral hierbei ist es, sich mit diesen Sorgen zu beschäftigen, sie zu thematisieren und ihnen dadurch den Schrecken zu nehmen.

Wie also bei den Gartner-Quadranten üblich liegt die Arbeit im Einsortieren der Objekte. Wie ich schon in meinem Artikel „Das lass mal meine Sorge sein“ beschrieben habe, sind Sorgen und Ängste sehr individuell und es obliegt jedem Einzelnen, seine Punkte in die Matrix einzutragen und anschließend mit den vorgeschlagenen Management-Maßnahmen zu bearbeiten.

[Ausblick: Im Freitagsblog mit Feingestigem diese Woche: "Ängste und Sorgen... über den Wolken"]

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Mittwoch, 29. September 2021

Dreiecke sind unmenschlich

Historische Städte bestehen aus einem Altstadt-Kern und darum eine konzentrische Umfassung. Ein Ring, der den innersten Teil umschließt, oft in Mauerform mit Toren und einer innenliegenden Straße. Der Nachteil solcher Konstruktionen ist die Schwierigkeit, einen Anfang zu definieren. Zwar kann man sagen, dass man an der Stadtmauer wohnt, aber „das dritte Haus auf der linken Seite“ ist keine geeignete Beschreibung.

In amerikanischen Großstädten kann man sich einen anderen Entwurf anschauen. Hier sind die Straßen auf dem Reißbrett entstanden, rechtwinklig zueinander ausgerichtet und schlicht durchnummeriert. Je nach Häusergröße und Straßendichte reicht dann als Koordinatenangabe „zwölfte Straße Nord Ecke siebte Straße West“.

Was ich bislang nicht erlebt habe, ist ein dreieckiger Aufbau der Stadtarchitektur. Aber im Hochbau habe ich es gerade kennengelernt, ich war in einem Gebäude mit dreieckigem Grundriss. Und ich kann berichten, dass es sehr gewöhnungsbedürftig war. Selbst nach Tagen fiel es mir immer noch schwer, den richtigen Schenkel des Dreiecks anzusteuern. Das Dreieck gaukelte mir die simple Navigation der viereckigen Konstruktion vor, war aber in Wirklichkeit nur ein Ring mit drei scharfen Biegungen.

Im Alltag – und gerade bei der Bedienung von Computerprogrammen – geht es mir ähnlich. Da gibt es diese in die Jahre gekommenen Programme, in denen die Orientierung schwer fällt. Aber man hat sich irgendwann dran gewöhnt. Auf der anderen Seite weitgehend intuitiv bedienbare Software, in der sich auch ein Anfänger nach kurzer Einarbeitung gut zu Recht findet.

Ganz tückisch aber sind die Apps, die harmlos daherkommen, die auf den ersten Blick strukturiert wirken, aber eigentlich so wirr zu bedienen sind wie ihre Urväter vor Jahrzehnten. Man sitzt davor und drückt nach bestem Wissen irgendwelche Knöpfe, nur um dann festzustellen, dass man in die falschen Menüs abgebogen ist.

Ist die Architektur nun mal so (analog dem dreieckigen Grundriss), dann kann man auch nicht viel daran optimieren. Entsprechend wird zwar auf die Kritik der Anwender eingegangen, aber selbst umfangreiche Überarbeitungen bringen eher noch mehr Verwirrung als grundsätzliche Verbesserung. Einzig kompletter Neuaufbau, eventuell Modularisierung und Zerlegung in Teile (Apps) sind erfolgversprechende Ansätze.

[Das Bild zeigt übrigens eine Deckenleuchte, genau von unten fotografiert. In der Mitte der Leuchtkörper, links ein mitbeleuchteter Feuermelder.]
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Mittwoch, 22. September 2021

Im Sommerurlaub

Manchmal werden wir mehr oder weniger unfreiwillig zu Voyeuren. So waren in unserem Hotel auch drei junge Blondinen untergebracht, hübsch und kontaktfreudig. Mit ihren langen Haaren und blauen Augen für die einheimischen Jugendlichen ein gefundenes Fressen. Entsprechend dauerte es nicht lange, und der Tisch der Freundinnen war von Jungs umgeben, auch nicht gerade unattraktiv. Ein bisschen Schäkern hier und Neckereien.

Einzig die Sprache bildete ein deutliches Hindernis beim Kennenlernen. Allerlei Gesten mussten helfen, den Graben bestmöglich zu überbrücken. Und dann ging es weiter mit dem Versuch, sich gegenseitig ein paar Brocken der jeweiligen Fremdsprache beizubringen. Das klappte nur solala, aber alle hatten ihren Spaß und bis zum Abend war dann eben doch mit Gemälden im Sand und pantomimischen Kunstwerken eine primitive Verständigung möglich.

Die Sonne ging langsam unter, am Strand wurde es romantisch und aus dem kleinen gemischten Trupp hatte sich ein Pärchen abgesetzt, lief am Meer entlang. Von der Terrasse aus konnte ich in der Dämmerung noch erkennen, dass sie sich bei der Hand hielten, dann entschwanden Sie meinen Blicken.

Ich finde die Geschichte erzählenswert, weil sie demonstriert, wie sich zwei Menschen verständigen, ja verlieben können, ohne dieselbe Sprache zu sprechen. Ist der Funke erst mal übergesprungen, dann kann eine Barriere wie mangelhafte Kommunikation überwunden werden. Ein Dolmetscher wird jedenfalls nicht gebraucht, die Verständigung läuft dann eben über andere Kanäle, die den persönlichen Austausch ermöglichen. Selbst Differenzen in der Mentalität, Grundeinstellungen und so weiter spielen erst mal keine Rolle. Irgendwie ist alles „easy“.

Noch während ich auf der Terrasse sitze und meinen Rotwein trinke, kommen mir diese umständlichen Konstruktionen mit Business Relationship Managern und irgendwelchen Schnittstellen zwischen IT und Fachbereichen in den Sinn. Egal, wer von beiden die hübsche Blondine oder der rassige Einheimische ist: Wenn beide sich zusammentun wollen und händchenhaltend in den Sonnenuntergang laufen, dann spielen ein abweichender Wortschatz oder unterschiedliche Wissensgebiete keine Rolle.

Wir können getrost den Fachbereich mit der IT zusammenbringen, Übersetzer brauchen wir nicht. Aber der innere Wille zur Zusammenarbeit muss da sein, die Bereiche müssen sich ein bisschen ineinander verlieben. Das gilt es zu fördern, viel mehr als irgendwelche Strukturen zu schaffen, die als Vermittler nur den vermeintlich sichtbaren Teil der Kommunikation transformieren.

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Mittwoch, 15. September 2021

Arbeitsteilung beim Kirschbaumschnitt

Fast freue ich mich auf den Herbst. Das ist nämlich die Zeit, wenn die Gärtner kommen und meine Kirschbäume schneiden.

Und das geht so:
Zur verabredeten Uhrzeit fährt ein Transporter vor, kaum ausgerollt springt die Beifahrertür auf und ein Mitarbeiter steigt von einem Kollegen gefolgt aus. 
Projektstartsitzung pünktlich, alle sind vorbereitet und es geht ohne Umschweife los.
Dann kommt der Fahrer um den Wagen herum, alle drei bewaffnen sich mit Motorsäge, Leiter, Astschere und Schubkarre und folgen mir zu den Kirschbäumen. 
Die notwendigen Tools sind vorbereitet, jeder kennt die für ihn erforderlichen Werkzeuge und konfiguriert sie bei Bedarf für den Projekteinsatz.
Dort wird mit mir und untereinander beratschlagt, was wo gestutzt werden soll und an welchen Stellen noch Einkürzungen vorgenommen werden sollen.
Fachbereich und IT stimmen im offenen Dialog die Anforderungen ab .Danach ist die Konzeptphase abgeschlossen.
Schon sitzt der Erste im Baum, der Zweite positioniert die Leiter, der Dritte reicht die Säge hoch.
Es wird engagiert losgelegt, jeder nimmt seine Projektrolle ein, Schnittstellen werden eingerichtet.
Die ersten Äste fallen, die Rollen wechseln und nun dirigiert einer von unten den Sägeführer oben, wer frei ist zerkleinert das Holz und lädt es in den Schubkarren.
Neue Erkenntnisse oder neue Perspektiven werden gleichberechtigt von jedem Projektmitarbeiter zum Gesamtbild hinzugefügt.
Vor dem Transport zum Auto noch ein kurzer Blick, ob oben noch alles in Ordnung ist oder Werkzeug hochgereicht werden muss.
Eine Kombination aus Projektrollen einerseits und flexiblem Einspringen andererseits, soweit die Fachkenntnis oder Berechtigungen es zulassen.
Jeder macht trotz Konzentration auf seinen eigenen Arbeitsbereich immer die erforderlichen Handreichungen für die Anderen, so dass das Team beeindruckend kooperativ und dadurch bemerkenswert schnell vorankommt.
Auch bei klarer Rollentrennung sind Ergänzungen untereinander unentbehrlich.
Leerlauf gibt es für keinen der Gärtner, ist gerade keine Schubkarre wegzubringen, muss Holz kleingesägt werden. Oder die Ersatz-Motorsäge wird aufgetankt. Oder die Leiter für den Mann in der Baumkrone kommt an eine bessere Stelle.
Technisch könnte man Loadbalancing sprechen.

Diesen Personen bei der Arbeit zuzuschauen macht Spaß und das kann ich mir grundsätzlich in ähnlicher Form auch in (Dienstleistungs-)unternehmen vorstellen. Ein paar gedankliche Transfers habe ich beispielhaft in die (wirklich so erlebte) Geschichte oben eingearbeitet.

Der Gedanke ist an und für sich nicht schlecht, setzt aber eine passend Grundeinstellung voraus. Das Team muss dahin geführt werden, dass es die Aufgaben als gemeinsame Aufgaben versteht und die zu erledigenden Arbeiten als prinzipiell gleichwertig angesehen werden. Wichtig auch die Anerkennung der gegenseitigen Unterstützung und eine kritische Begleitung, um Abschieben von Arbeit zu verhindern.
Auch bei Gelegenheit mal auf ein Projekt zurückschauen und sich für die gegenseitige Unterstützung und reibungslose Zusammenarbeit bedanken. Und am Ergebnis erfreuen, das ohne dieses energieschonende Teamwork nicht möglich wäre.

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Mittwoch, 1. September 2021

Und drei und vier

Vorige Woche habe ich den Takt mit "und eins und zwei" begonnen. Ein Plädoyer sozusagen für Struktur im Leben, ohne dass es deshalb langweilig wird. Und fand dann als Kommentar den Hinweis auf Improvisation. Ein spannender Gedanke, ist denn nicht wirklich das Leben eine Aneinanderreihung von Improvisationen?

Bei der Antwort auf diese Frage hole ich ein wenig aus. In der Musik kennt man Improvisationen, das ist wörtlich genommen ein spontaner Einschub in den Ablauf eines Titels. Die Melodie setzt aus, Strophe und Refrain – sofern vorhanden – treten beiseite und stattdessen spielt mindestens ein Musiker eine Parenthese. Die mag spontan komponiert sein, vielleicht ist es auch eine für diese Stelle erdachte Variation. In letzterem Fall wird man eher von einem Zwischenspiel als von einer Improvisation sprechen.

Also spontan, einigen wir uns mal darauf. Aber, und jetzt komme ich auf einen wichtigen Punkt zu sprechen, aber auch dieser Teil des Ablaufs gehorcht gewissen Regeln. Fast immer wird der Takt beibehalten, selbst der Rhythmus läuft meist unverändert weiter. In der Rockmusik wird an dieser Stelle gerne mit Koloraturen gearbeitet, die nach einer definierten Anzahl von Takten (üblicherweise ein Vielfaches von vier) wieder zum Thema zurückführen.

Spielt man etwas völlig anderes, wechselt in eine andere Tonart, einen 9/8-Takt oder eine andere Oktavgattung, wird es höchstwahrscheinlich unharmonisch und dissonant und man gerät leicht an den Rand von „Katzenmusik“.

Zurück zum Ausgangspunkt. Wie oft gibt es eigentlich Improvisation in unserem Leben? Im Sinne von Planänderung und Anpassung an die aktuelle Situation: tagtäglich. Spontan auf neue Randbedingungen einzugehen ist unerlässlich, sonst spricht man von Starrheit. Doch diese (ich nenne es mal Wendigkeit) steht im Normalfall in Harmonie zu den Aspekten, die wir berücksichtigen müssen oder wollen (analog zum fortlaufenden Rhythmus). Es ist der professionelle Umgang mit Unvorhergesehenem (Im-Provisio, lat.), jedoch kein irgendwie-drauflos. Und schmiegt sich dann im Laufe der Zeit an eine möglicherweise veränderte Vorgehensweise an.

Zusammenfassend also die Aussage, dass wir uns zwar durch unser Leben improvisieren, es aber als Fertigkeit verstehen müssen, dies in Einklang mit unserem inneren Rhythmus, dem äußeren Takt oder der Grundstimmung unserer Mitmenschen zu gestalten.

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Mittwoch, 25. August 2021

Und eins und zwei

Die Musik ist in uns. Und um uns. Sie ist Ausdruck einer Wiederkehr (Takt) und einer Kontur (Rhythmus). Lebe ich im Walzer und schwebe meiner Liebe entgegen? Oder gebe ich mich gleich einer Rumba der Leidenschaft hin? Harte Beats des Techno oder Headbanging bei Metal?

Wie auch immer ich mein Leben angehe, es folgt geradezu mathematischer Abfolge, sei es zeitlich, sei es in Lebensperioden.


Apropos Lebensperioden: In großen Werken gibt es eine Eröffnung (Ouvertüre) gleich dem Hineinplatzen in die Welt. Dann die Vorstellung des Themas im ersten Satz. Heranwachsen und Vorpubertät, Kennenlernen der persönlichen Neigungen und Fähigkeiten. Ausbau zum Hauptthema, eventuell auch Nebenthema im Wettstreit: Also, wenn das nicht die Pubertät ist. Dieser innere Kampf mit dem Aufkeimen eines bis dato unbekannten Triebes.

Und jetzt: Das Scherzo des Lebens, fröhlich geht es dahin, es wird leicht, ungebunden, luftig und voraneilend. Da steckt viel Kraft, die Musik pulsiert und treibt uns.

In der modernen Musik liegt über die gesamte Zeit ein Beat darunter, der Einsatz von Schlagwerk ist Standard und begleitet uns wie der Herzschlag oder die rhythmischen Geräusche von Motoren. Oft sprechen wir ja auch von Wochenrhythmus oder Arbeitstakt. Wir Menschen wollen diese Grundstruktur, suchen sie, schaffen sie. Überall auf der Welt gibt es Strukturierungen wie die Woche, also Wiederholungen im 7-Tage-Rhythmus. Entsprechend kommt es uns zugute, wenn wir in Wiederholungen leben. Was durchaus nicht heißt, dass wir unveränderlich wie Maschinen immer dasselbe machen. Wie weiter oben beschrieben: Takt ja, Wiederholung auch, Rhythmus ebenso. Aber eben auch Strukturierung in Sätze, die typischerweise sehr unterschiedlich ausfallen und insofern eine deutliche Abwechslung darstellen, ohne dabei das (Lebens-)Thema außer Acht zu lassen.

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Mittwoch, 18. August 2021

Ja, ja, die Mathematik (Corona grüßt das SIR-Modell)

Eine wundervolle Wissenschaft ist sie, die Mathematik. Alles Mögliche kann man berechnen, hat dann objektive Ergebnisse, die jeder Mensch nachvollziehen kann. Was liegt da näher, als in der augenblicklichen Unsicherheit der Pandemie einen festen Halt wie die Mathematik zu suchen. Da kann man versuchen, die Situation in Zahlen zu fassen, Gleichungen aufzustellen und die gegenwärtige Lage zu modellieren.
So erzählte mir dieser Tage ein Freund von einem SIR-Modell. Klingt spannend und hinter die Kulissen schauend fasse ich mal kurz zusammen, um was es geht. Die drei Buchstaben stehen für Fraktionen der Gesellschaft, die Infizierbaren (S), die Infizierten (I) und die Immunen (R).  Recht triviale Annahmen wie die weitgehende Konstanz der Summe und die Formulierung der zeitlichen Änderungen führen zu einem Dreierpack an Differenzialgleichungen. Die kann man dann noch mit Faktoren versehen, von denen einer für die Ansteckung (alpha) und ein zweiter für die Inkubationszeit (beta) steht.
Wer es mathematisch genauer wissen will möge an geeigneter Stelle nachschauen.


Denn mir geht es gar nicht um das Lösen dieses Differenzialgleichungssystems, vielmehr interessiere ich mich für die praktische Aussage. Und die ist – auch wenn die Beschäftigung mit mehr oder weniger einfachen Gleichungen Spaß macht – doch recht simpel. Was können wir daraus lernen und in der Praxis auch beobachten:
  1. Der Verlauf der Epidemie hängt (nicht beeinflussbar) vom Virus ab, aber auch (beeinflussbar) von den Umständen.
  2. Virusspezifisch ist die Dauer, die ein Individuum zwischen Infektion und anschließender Immunität verbringt.
  3. Ebenfalls Virus- oder auch mutationsspezifisch ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit, also die Gefahr, bei Kontakt zu erkranken.
  4. Womit sogleich klar wird, dass als äußere Steuerung insbesondere die Kontakthäufigkeit und –intensität der Individuen eine Rolle spielt.
  5. Naheliegendes Ziel ist, dass man die Menge I überspringt und somit unter Umgehung der Infektion (I) direkt von den Infizierbaren (S) zu den Immunisierten (R) wechselt. Der praktische Ansatz hierzu ist die Impfung.
  6. Und schließlich will man dafür sorgen, dass das Virus ausstirbt, seine Reproduktion also unter die Grenze von 1 fällt, so dass jeder dann noch Infizierte im Durchschnitt weniger als eine Person infizieren kann.
Das ist die Ausbeute des SIR-Modells. Sicher spannend und als gutes Modell auch eine brauchbare Abbildung einer linearen Wirklichkeit. Bei geschickter Wahl der Parameter kann man den Kurvenverlauf auch gut extrapolieren.
Allerdings ist jegliche Berechnung natürlich auf der Basis diverser Annahmen zu sehen. Und in diesem Fall kann uns wieder die Komplexität des Lebens in die Quere kommen. Ansteckungsrate, Kontakte, Inkubationszeiten sind von Alter, Lebensphase und Sozialstruktur abhängig. Und damit einhergehend (eben komplex) hat man es mit einer zeitlichen und / oder räumlichen Veränderung der vermeintlich konstanten Parameter zu tun. Weiterhin können mehrere Kurven (mit ihren jeweiligen Parametern) überlagert sein, z. B. bei Mutationen aber auch bei dem Aufeinandertreffen verschiedener Bekämpfungsszenarien.

Insofern ist also die mathematische Beschäftigung ausgesprochen sinnvoll. Von den einleuchtenden Kurven und Überlegungen kann man sehr sinnvolle Handlungsempfehlungen ableiten. Allerdings kann uns die Rechnerei leider – hier verweise ich auf den Anfang des Artikels – keine noch so sehr herbeigesehnte Prognose liefern. 

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Mittwoch, 11. August 2021

Bälle in Unternehmen

Schon mal einen Ball über den Boden gerollt? Wie er so vor sich hin kullert, weiterrollt bis er gegen eine Wand stößt oder zur Ruhe kommt.
Da bewegt sich was und es kommt darauf an, ob der Boden eben ist (dann ist die Bewegung ziemlich geradlinig) oder hupppelig, was zu lustigen Richtungsänderungen führt. Golfspieler können ein Lied davon singen…
Dann haben die runden Gegenstände auch noch die Eigenschaft, dass sie erst mal vor sich hin rollen, wenn man die Reibung gering genug hält. Ist der Widerstand gering, dann läuft so ein Ball also recht lange, ohne dass man ihn wieder anstoßen muss.
Jede explizit erwünschte Richtungsänderung erfordert ein Eingreifen und kostet Kraft. Egal, ob man in Laufrichtung beschleunigen oder verzögern will oder sogar den Kurs ändern möchte. Und diese Kursänderung wirkt nur so lange, wie die (äußere) Krafteinwirkung vorliegt. Tritt man nicht gegen den Ball, dann rollt er wieder geradlinig vor sich hin.

Worauf ich hinaus will?
Nun, eine etablierte Organisation läuft erst mal vor sich hin. Je nach Randbedingungen wird sie mit der Zeit immer träger, es ist unabdingbar, sie von Zeit zu Zeit wieder durch Anreize, Motivation oder ähnliche Maßnahmen zu beschleunigen.
Ebenso erkennt man die Analogie bei der Veränderung. Ohne Kraft geht das nicht, und man hat es erst mal mit einem Beharrungsvermögen zu tun. Dieses kann man überwinden, allerdings kehrt die Struktur nach einer Umstellungsphase dann wieder in einen standardisierten Ablauf zurück, sie kommt „in den Alltagstrott“.
Und auch die anderen Eigenschaften der Kinematik sind hier wie da anzutreffen. Der unebene Boden ist ein Modell für weitere Einflussfaktoren, die man nicht über die gezielte und geplante Krafteinwirkung erreichen kann. Oder auch für die Notwendigkeit, „glatte“ Randbedingungen zu schaffen, damit ein Prozess verlustarm verläuft und dort ankommt, wo er hinkommen soll.

Ach, und noch was. Bei Kugeln denke ich auch an Billard. Da muss man möglichst gut den Punkt der Krafteinwirkung erwischen. Und manchmal über Bande spielen.

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Mittwoch, 4. August 2021

Geöffnetes Fenster


Fenster haben eine lange Tradition und eine ebenso lange Entwicklung hinter sich. Es sind diese Unterbrechungen der Wand, durch die Licht hereinkommt. Und manche kann man zum Lüften nach Belieben öffnen und schließen.
Warum habe ich ein Fenster und keine Wand: Ich möchte auch mal hinausschauen, freue mich über das natürliche Licht bei Tag und den Mondschein bei Nacht. Und das Glas hält einerseits Geräusche fern und schützt mich andererseits vor Kälte und Hitze.

Feste Mauern in einem Unternehmen sind die Abgrenzungen zwischen organisatorisch getrennten Einheiten. Es ist durchaus wünschenswert, wenn hier sozusagen eine Grenze zwischen Abteilungen etabliert wird, so wird definierte Arbeitsteilung ermöglicht. Doch andererseits würde bei diesem Ansatz jede Gruppe ihre eigenen Abläufe verfolgen, nicht rechts und nicht links schauen (weil sie das wegen der Mauern ja nicht kann).
Also brauchen wir auch hier Fenster. Durch die man Blickkontakt zur Nachbarabteilung haben kann. Es ist wichtig, nicht nur Dokumente durch einen Mauerschlitz auszutauschen, sondern auch im Wechselspiel mitzubekommen, wie liefernde oder abnehmende Nachbarn mit den Dokumenten umgehen. Andererseits schützt das „Glas“ auch vor allzu deutlichem Zugriff und einem dauerhaften Verschmieren der Zuständigkeiten.
Weiter steigern lässt sich das im Sinne von Fenstern, die man öffnen kann. Frische Luft kommt herein, auch das ist nicht unbedingt schlecht für eine Organisationseinheit. In das Bild passen Jobrotation, Praktika in einer fremden Abteilung und überhaupt alles, was über das bloße Hinüberschauen hinausgeht.

Im Endeffekt ist dieser definierte Austausch im Idealfall die harmonische Ergänzung zur festgelegten Organisationsstruktur. Er sorgt für gegenseitiges Verständnis, für breiteres Fachwissen und in dieser Kombination für eine verbesserte Zusammenarbeit.

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Mittwoch, 28. Juli 2021

Beipackzettel Organisationsänderungen

Mal ehrlich: Ich lese diese ellenlangen Zettel nicht durch, die in den Pillenpackungen enthalten sind. Allein diese Patentfaltung bringt mich in Rage, wenn man die Zettel einmal komplett aufgefaltet hat, bekommt man sie nie wieder zusammen.

Bestenfalls schaue ich mal rein, wenn ich die Dosierung nachschauen möchte oder noch seltener, wenn ich eine Nebenwirkung vermute.

Apropos Nebenwirkung. Vielleicht sind diese Beipackzettel doch nicht so unnütz. Warum gibt es sie nicht auch für Änderungen in Unternehmen. Wie heißt es so schön: Eine Arznei, die keine Nebenwirkung hat, hat auch keine Wirkung. Und so kenne ich das auch bei Organisationsänderungen. Da sollte sich der Initiator doch auch ein paar Fragen stellen und vor Umsetzung der Maßnahmen mehr oder weniger öffentlich beantworten.

  1. Was für eine Änderung ist vorgesehen und welches Ziel verfolgt sie?
    Was ist dieses Medikament und wofür wird es eingesetzt?
  2. Welche Abhängigkeiten und Auswirkungen auf andere Maßnahmen sind zu erwarten?
    Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, Verstärkung und Abschwächung
  3. Welche Nebeneffekte kann man absehen, gestaffelt nach der Wahrscheinlichkeit?
    Nebenwirkungen
  4. Wie sieht der Zeitplan aus, muss man die Änderung „einschleichen“ oder startet man direkt mit der kompletten Bandbreite („Big Bang“)?
    Wie ist dieses Medikament einzunehmen
  5. Gibt es konkrete Abgrenzungen (z. B. darf in bestimmten Bereichen nicht umgesetzt werden)?
    Hinweise für Schwangere, Kinder unter x Jahren, Risikogruppen
  6. Was ist für den laufenden Betrieb zu beachten?
    Einschränkung im Straßenverkehr und dem Bedienen von Maschinen
  7. Was muss man tun, wenn (Teil-)Maßnahmen nicht umgesetzt werden oder das Herangehen zu starke Reaktionen hervorruft
    Wenn Sie versehentlich zu wenig oder zu viel eingenommen haben

Natürlich versuchen wir, einige dieser Punkte in der Projektdefinition zu bearbeiten, aber gerade Wechsel- und Nebenwirkungen werden oft viel zu wenig durchdacht und in die taktische Umsetzung eingeplant. Was dann vermeidbar zu unbefriedigenden Ergebnissen führt.

Und wie beim Beipackzettel: Man kann auch zwischendurch mal wieder reinschauen, vielleicht treten im Laufe der Zeit doch Nebenwirkungen ein, die am Anfang keine Rolle gespielt haben.

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Mittwoch, 14. Juli 2021

BWL oder Medizin?

Ich habe mich gefragt, ob ich lieber Betriebswirtschaftslehre oder Medizin studieren möchte. Warum „oder“, sind doch die Überlegungen in beiden Fällen ziemlich ähnlich, es sind komplexe Systeme, über deren Funktion (Anatomie / Organisationsstruktur) man sich Gedanken machen kann. Welche Körperteile (Organisationseinheiten) braucht man, wie spielen sie zusammen (Stoffwechsel / Ablauforganisation), wo ist Wertschöpfung (körperliche bzw. geistige Leistung) und wo handelt es sich um Verschwendung?

Dann natürlich die Verhältnisse (Benchmark) der Einheiten, hat sich Fett (bürokratischer „Wasserkopf“) gebildet, ist eine Diät (Stellenabbau) notwendig – was beim Menschen wie beim Unternehmen eine mühsame Geschichte ist mit viel Widerständen und Tendenz zum Jojo-Effekt (gibt es auch bei Organisationsänderungen).

Und im Krankheitsfall (Sanierungsbedarf) wird diagnostiziert und mehr oder weniger fachkundige Experten (Ärzte / Unternehmensberater) wenden ihre Therapievorstellungen auf das System an. Was mal funktioniert, ein andermal leider nicht. Kein Körper ist wie der andere, bei Unternehmen kann man die Lösungen auch nur bedingt übertragen – zu verschieden sind die unsichtbaren Faktoren (Immunsystem / Kultur).

Schließlich noch „mens sana in corpore sano“ (gesunder Geist in gesundem Körper): So wie man den eigenen Körper durch regelmäßige Bewegung trainiert hält, so muss auch ein Unternehmen fortlaufend weiterentwickelt werden.

Es lassen sich noch viele weitere Parallelen finden, die Analogie ist verblüffend.

Ableitend können diese beiden Disziplinen also viel voneinander lernen, sei es die BWL von den jahrhundertealten Erkenntnissen der Medizin, sei es die Medizin in ihrer modernen Form von den Beobachtungen der Betriebswirte.

Mittwoch, 7. Juli 2021

Marketing (Das Katzenvideo)


Jens ist ein guter Kunde. Er schätzt meine unkonventionelle Sicht der Dinge und lässt sich gerne von mir beraten. Heute spricht er mich auf Marketing an. „Marketing“, sage ich, „Marketing folgt den Mustern von Werbung, und die sitzen ganz tief in unserem Gehirn. Wie ich mal hörte, spricht man vom Reptiliengehirn, weil es so alt ist.“

„Ja, ja“, sagt Jens, „sehr interessant – worauf willst Du hinaus?“

„Katzenvideo.“

Ich habe es mit diesem einen Wort auf den Punkt gebracht. Jens ist irritiert, weil die von ihm geforderte Kurzfassung nun selbst für ihn ein wenig zu kompakt ausgefallen ist.

„Vielleicht hätte ich auch ‚42‘ sagen können, es geht darum, die Frage konkreter zu stellen, sonst gibt es keine verwertbare Antwort. Was ist für Dich Marketing?“

Während er erläutert, was er darunter versteht, überlege ich, wie ich ihn auf seinem Weg zur Beantwortung seiner eigenen Frage begleiten kann. Ich werde ihm keine fertige Antwort präsentieren, für oberflächlich passende Empfehlungen wird er vorher schon seine Fachleute interviewt haben. Die für ihn brauchbarste Lösung muss aus ihm selbst heraus kommen.

„Ausgesprochen viele Menschen lieben Katzenvideos. Damit ist erst mal die Tür geöffnet. Was mag es sein, dass diese Filmchen uns so ansprechen, so sympathisch erscheinen. Niedlich. Kindchenschema?“

Jens überlegt und mäkelt herum, dass es nicht um die Vermarktung von Kuscheldecken geht. Er will seinen Technikkram am Markt platzieren und da helfen keine Katzenvideos.

„Jens, ich erwarte Mitdenken. Du sollst kein Katzenvideo produzieren, Du sollst Dir Gedanken machen, was tief in jedem Menschen Deiner Zielgruppe verankert ist. In der Kunst kennt man den goldenen Schnitt, ein Verhältnis von Proportionen, die uns unbewusst harmonisch und damit positiv erscheinen. Was ist der goldene Schnitt in Deinem Produkt, will sagen: welche Eigenschaften stehen in einem wahrnehmbar harmonischen Verhältnis zueinander?“

„Das ist mir jetzt alles zu abstrakt, ich will wissen, wie ich meine Artikel besser verkaufen kann. Du sollst einfach nur diese simple Frage beantworten.“

„Obacht!“, sage ich, „genau da liegt Dein Denkfehler. Die Frage ist zwar simpel, aber die Antwort ist vielschichtig und kann deshalb nicht von einem Experten alleine beantwortet werden. Aber Du, Du kennst Dein Produkt wie kein anderer, also kannst Du es in all seiner Leistung oder vielleicht sogar Schönheit beschreiben. Das ist der Ausgangspunkt, den Du für Dich erst klären musst. Dann die Proportionen erkennen, hiervon herausarbeiten, was im Reptiliengehirn Deiner Zielgruppe vorgeht und erst dann – nicht vorher – solltest Du Deine Vertriebler sukzessive einweihen und ihren Job tun lassen.“

„Das war zwar leider nicht die Antwort, die ich hören wollte“, grummelt er immer noch, „aber wenn ich mir noch mal strukturiert aufschreibe, was Du in welcher Abfolge von mir wissen willst, ist der Ansatz vielleicht gar nicht so schlecht.“

„Ja, ganz genau. Die Kernfragen zu beantworten kostet Deine kostbare Zeit, aber es ist ein Vorgang, den Du nicht delegieren kannst. Das ist ein Jens-Thema.“

„Du unbequemer Quälgeist. Möchtest Du noch einen Kaffee?“ – „Nein Danke, aber ich komme morgen wieder und bin neugierig, wie weit Du gekommen bist. Vielleicht bringt mich Deine Antwort ja selbst auch ein Stück weiter.“


Mittwoch, 30. Juni 2021

Mein Wasserhahn tropft (nicht mehr)

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich mag es nicht, wenn der Wasserhahn tropft. Das Geräusch nervt, das herauslaufende Wasser ist lästig, die Undichtigkeit verheißt nichts Gutes. Also nicht überraschend, dass ich mich vor kurzem ziemlich aufgeregt habe, als unter dem Wasserhahn ein kleines Rinnsal zu sehen war.

Bei genauerer Betrachtung war es auch gar nicht der Wasserhahn, das wäre ja noch recht harmlos gewesen. Nein, es war der Anschluss zur Wand. Irgendwo in den Untiefen der Installation eine Leckage, an die man mit einfachem Werkzeug nicht herankommt. Was hilft es? Die Verbindung muss abgedichtet, das Problem behoben werden.

Doch wie staune ich, als ein paar Tage später kein Wasser mehr zu sehen ist. Im ersten Moment freue ich mich, aber dann werde ich nachdenklich. Ist das wirklich gut? Das Verschwinden des Phänomens kann nämlich verschiedene Ursachen haben.

Ein hilfreicher Zeitgenosse könnte den Schaden für mich behoben haben. Allerdings wüsste ich nicht, wer es gewesen sein könnte.

Natürliche Selbstheilung könnte dazu geführt haben, dass sich vielleicht ein Krümel in die Leckstelle gesetzt hat und diese nun abdichtet. Kurzfristig gut, aber das wäre keine zuverlässige Lösung und könnte zu ungewünschten Zeitpunkt erneut tropfen.

Und schließlich kann auch schlicht das Wasser fehlen. Irgendwer hat es abgedreht oder der ganze Strang steht aus mir vielleicht unbekannten Gründen nicht mehr unter Druck. Das wäre dann aber gar nicht gut, schließlich will ich ja auch zukünftig Wasser zapfen können.

So ist das mit den Problemen des Alltags. Sie kommen und meist muss man sie bearbeiten und beheben. In selteneren Fällen übernimmt ein Mitmensch den Vorgang und nimmt mir die Arbeit ab. Gruselig wird es jedenfalls, wenn das Problem ohne erkennbaren Grund verschwindet. Oder aber beruhigend, wenn sich herausstellt, dass es sich – so oder so – erledigt hat.

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Mittwoch, 16. Juni 2021

Die Drehzahl der Menschen

Verbrennungsmotoren haben ihre optimale Arbeitsdrehzahl. Die ist bei Dieselmotoren recht niedrig, wir kennen das Tuckern der Maschinen in Schiffsrümpfen. Bei anderen Motoren ist sie deutlich höher, als Beispiel nenne ich Motorräder. Ist man unter dieser Drehzahl, erhält man geringe Leistung und der Motor könnte unter Last stehenbleiben. Bei zu hoher Umdrehungszahl nimmt die Leistung ebenfalls ab und der Verschleiß nimmt drastisch zu. Es ist also ratsam, jedes Antriebsaggregat weitgehend mit seiner  spezifischen Drehzahl zu betreiben.
Das ist im übertragenen Sinne bei Menschen ähnlich.

Da gibt es diese ruhigen Typen.
Ohne Hast gehen sie durch den Alltag und durchs Leben. Bei Bedarf gehen sie etwas schneller, aber so richtig flott werden sie nie. Versucht man, sie über ihre innere Geschwindigkeit zu bewegen, dann reagieren sie ablehnend und sperrig.
Andererseits die eiligen Zeitgenossen.
Alles muss schnell gehen. Und überhaupt muss sich immer irgendwas bewegen. Im Urlaub wird das Herumliegen am Strand zur Quälerei. Dann wird ihre Drehzahl mächtig nach unten gedrückt. Schlechte Laune und die Suche nach Beschäftigung sind erwartbare Reaktionen.
Dazwischen die Normalos.
Auch die haben ihre Geschwindigkeit, ihren Rhythmus. Sehr individuell und unabhängig vom Thema. Wer durchs Leben eilt, wird dies nicht nur im Beruf machen, sondern auch im Umgang mit seinen Mitmenschen und bei der Wahl seiner Hobbies. Und wer eher betulich unterwegs ist, der lässt seine Ruhe auf sein gesamtes Umfeld ausstrahlen.

Interessant in diesem Zusammenhang auch die körperliche Komponente. Der optimalen Drehzahl entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, Drogenkonsum, Verspannungen etc. einerseits, der Hang zu Depression und Übergewicht andererseits, erhöht.

Und um es ganz deutlich zu sagen: Diese Grundgeschwindigkeit können wir kaum oder gar nicht beeinflussen (sie ist spezifisch für das einzelne Individuum). Wir fahren vielleicht ein langes Leben lang in der Kolonne der Lastwagen ganz rechts oder wir führen ein kurzes Dasein auf der Überholspur. Es ist abwegig, irgendwelchen Mitmenschen ihre träge oder hektische Art vorzuwerfen oder sie zu einer Änderung zu bewegen. Denn wie beim Verbrennungsmotor gibt es nun mal einen Optimalbereich, und der ist – wie der Kölner sagt – bei jedem Jeck anders.

Dienstag, 8. Juni 2021

Eintscheidungsoptionen (Einfach wahr - Teil 1)


Täglich stehen wir unzählige Male vor der Herausforderung, den weiteren Umgang mit einer bestimmten Situation zu entscheiden. Sei es die Kommunikation im Büro, das Engagement in einem Verein oder die Zufriedenheit mit der Freizeitgestaltung.

Bemerkenswert, dass es völlig unabhängig vom Thema grundsätzlich und immer drei Richtungen (Entscheidungsoptionen) gibt:

  1. Love it: Man freundet sich - möglichst auch innerlich - mit der Situation bzw. dem Ergebnis an. Hierzu gehört, sich die Vorteile vor Augen zu führen, die Nachteile realistisch zu bewerten, aber nicht zu überhöhen und Alternativen zu prüfen.
  2. Change it: Wenn es sich unter den gegebenen Bedingungen machen lässt, kann man Änderungen in die Wege leiten. Unbedingt Vorsicht walten lassen (Mitmenschen zu ändern ist oft schwieriger als man denkt) und die Umsetzbarkeit (welche vielleicht nicht beeinflussbaren Beteiligten sind einzubinden) beachten.
  3. Leave it: Das kann eine Kündigung, eine Trennung, eine Verschiebung von Tätigkeiten oder dergleichen sein. Eine Stellung zu verlassen ist durchaus kein Zeichen von Fehler oder Versagen, sondern die Einsicht, dass es anders besser geht. Sehr sorgfältiges Abwägen sollte im Vordergrund stehen, denn weder leichtfertiges Ausweichen (vor unbequemen Gegebenheiten) noch unvernünftiges Verharren (in aussichtslosen Situationen) sind sinnvoll.
Auch wenn diese Darstellung verblüffend trivial erscheint, sie enthält doch sehr viel praktischen Nutzen. Denn sie führt einem vor Augen, dass es keine "Zwischenwege" oder Kompromisse gibt oder auch nur geben kann.

Und dass ein vermeintlich vierter Weg, das Wegschauen, Aufschieben, Entscheidungsvermeiden, nicht gangbar ist. Eher noch kann es sein, dass eine der drei Optionen unter Berücksichtigung der Randbedingungen nicht in Frage kommt.

Ob man nun will oder nicht: Einer der Wege muss beschritten werden, das ist gut zu durchdenken und dann konsequent zu verfolgen.

Dienstag, 1. Juni 2021

Das Vieraugenprinzip oder: Kontrollieren wie die Fliegen

Ich bin ja froh, dass nicht jeder machen kann, was er will. Dass er kontrolliert wird oder zumindest damit rechnen muss, kontrolliert zu werden. In jeder Gemeinschaft lässt sich so ein Mechanismus etablieren, und je unterschiedlicher die Aufgaben und Ausrichtungen der Partner sind, desto zuverlässiger funktioniert der Mechanismus.

Bei Verteilung von Nachtisch an zwei Kinder kann man das ja ganz einfach realisieren, das eine Kind teilt, das andere sucht aus. Fertig.

In der Berufspraxis hat man zum Beispiel die Arbeitsteilung zwischen Front- und Backoffice. Beide Seiten müssen einem Vorgang zustimmen, erst dann kann er durchgeführt werden – wir sprechen dann vom Vieraugenprinzip. Natürlich kann man das noch weiter optimieren, zusätzlich noch eine Revisionsabteilung in den Ablauf integrieren, auch das Compliance-Office darf nicht fehlen, weiterhin noch die Wirtschaftsprüfer und über allem thront noch die Aufsichtsbehörde.

Je mehr Personen eingebunden sind, desto sicherer und stabiler ist das ganze Konstrukt. Dementsprechend bietet es sich an, diese Erkenntnis auf möglichst viele Prozesse anzuwenden. Allerdings bedeutet so eine ausgedehnte Kontrollstruktur auch erhöhten Aufwand und kostet folglich Geld. Je mehr Kontrolle, desto teurer, da rückt dann die Verhältnismäßigkeit in den Mittelpunkt. Sonst bedarf es mehr Budget, als das zu schützende Objekt wert ist.

Es heißt also abwägen, ob ich mit vier Augen (zwei Personen) auskomme, oder ob ich mit tausend Augen kontrollieren muss wie eine Fliege. Übrigens sieht eine Fliege mit ihren vielen (Facetten-) Augen gar nicht wirklich besser. Das ist bei Kontrollen meist auch so.

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Dienstag, 25. Mai 2021

Wetter, Klima, Menschenbilder

Über Wetter kann man sich mit jedem leicht unterhalten. Wie das Wetter heute ist, letztes Jahr um diese Zeit, morgen sein wird. Ergiebig.

Wetter ist immer eine Betrachtung über eine kurze Periode; wenn keine stabile Großwetterlage herrscht, können wir immer nur ein paar Tage in die Zukunft absehen, wie es wahrscheinlich sein wird.

Dann das Klima. Das mittelt über größere Einheiten. Jahreszeiten zum Beispiel, oder Bereiche (Klimazonen). Ob an einem Sommertag vor einigen Jahren 5 cm Niederschlag runtergekommen sind, ist nicht von Belang, vielmehr interessieren hier Mittelwerte.

Und es gibt Mikroklima. Das ist regional gemeint und umreißt das Klima an einer bestimmten Stelle oder abgrenzbaren Region. Ein sehr schönes Beispiel ist ein kleiner Abschnitt des Mainufers in Frankfurt, der von den Einheimischen wegen seiner besonderen klimatischen Bedingungen als „Nizza am Main“ bezeichnet wird.

Die verschiedenen Messwerte (Temperatur, Niederschlag, Windgeschwindigkeit und –richtung, Sonnenstunden und Tagestemperaturdifferenzen) kann man also in unterschiedlicher Form verdichten. Und mal wird daraus eben eine Beschreibung des Wetters, mal des Klimas.

Das wollen wir mal auf das Menschenbild in Unternehmen übertragen. Unter dem Gesichtspunkt der (betriebs-) wissenschaftlichen Führung wird beispielsweise von Kauffeld und Sauer ein Modell vorgeschlagen, in dem Menschbilder auf einer Zeitleiste aneinandergereiht sind. Wie sich das Bild der Menschen in wirtschaftlichem Zusammenhang vom Economic Man (1910) über verschiedene Entwicklungsstufen zum Virtual Man (2010) verändert.

Man könnte es als Klimawandel der Unternehmenskultur bezeichnen: Über Zeitperioden hinweg wird das Selbstbild, aber insbesondere das Bild der Führungskräfte bezüglich ihrer Angestellten zusammengefasst. Woraus sich dann entsprechende Impulse für Organisationsverständnis und –strukturen ergeben.

Es bietet sich an, dieses Modell noch ein wenig zu ergänzen: Wie ist das mit dem Wetter, wo finden wir in Analogie das Mikroklima wieder?

Die tagesaktuelle Stimmung in der Belegschaft hat Ähnlichkeiten mit dem Wetter. Veränderungen ergeben sich meist durch äußere Impulse, Nachrichten zum Beispiel. Da die Reaktionen komplex sind, lässt sich die Veränderung nur kurzfristig vorhersagen. Das ist beim Eingreifen in die Unternehmenskultur grundsätzlich anders, hier sind eher langfristige Effekte und deutlich weniger komplexe Einflussfaktoren zu berücksichtigen, es ist das Pendant zum Klima.

Das Mikroklima schließlich erkennt man in den unterschiedlichen Organisationseinheiten. Die Mitarbeiter im Fachbereich Controlling sind beispielsweise in Ausbildung oder Emotionalität gemittelt ganz anders als Angestellte im Personalbereich oder der IT. Und selbst in noch kleineren Einheiten, Gruppen oder Teams, können sich individuelle Strukturen mit abweichenden Umgangsformen und Bedürfnissen ausbilden.

Wer also aus dem Begriff der Menschenbilder ein Führungsmodell ableiten will, der muss schon genau hinschauen. Sonst pflanzt er in Nizza am Main statt der dort heimischen mediterranen Gewächse nordische Spätorangen. Und darf sich nicht wundern, wenn er bestenfalls Potential verschwendet, schlimmstenfalls aber sogar Missernten einfährt.

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