Mittwoch, 28. Dezember 2022

Miteinander reden à la Bluetooth

Mein Handy kommuniziert mit verschiedenen anderen Geräten über Bluetooth. Das ist ein Funkstandard, der zum Beispiel für das Übertragen von Musik an einen Kopfhörer, aber auch von Daten an eine Smartwatch geeignet ist.
Das Handy in der Hosentasche tauscht sich mit meiner Armbanduhr aus und teilt ihr beispielsweise eingehende Nachrichten mit. Die Uhr ist nicht weit vom Handy entfernt, anders dagegen der Funklautsprecher, der auf dem Sideboard steht und die Musik wiedergibt. Und wenn ich mich durch den Raum bewege bleibt die Entfernung zum Handgelenk etwa gleich, der Abstand zum Sideboard ändert sich aber fortlaufend.

Auf diese Situation ist die Technik bestens eingestellt. Ab der Kopplung wird permanent ausgehandelt, wie stark das Handy senden muss und wie empfindlich die einzelnen Empfänger sich einstellen müssen. Der Sender (Handy) geht dabei von der schwierigsten Verbindung aus, im Beispiel also von der Musikbox. Beim Aushandeln dieser Verbindung hat sich die Box bereits auf höchstmögliche Empfindlichkeit eingestellt, da sie gegenüber der bereits angebundenen Uhr eine weitere Distanz überbrücken muss. Das Handy seinerseits stellt die Sendeleistung möglichst niedrig ein, aber eben doch so hoch, dass eine störungsfreie Übertragung an die Box möglich ist.
Diese Sendeleistung ist für die Uhr deutlich zu hoch, sie ist ja erheblich näher am Sender. Also muss sie ihre Empfangsempfindlichkeit herunterregeln, sonst wird sie übersteuert.
Bei dieser kleinen Runde müssen also schon die Sendeleistung einerseits und die Empfindlichkeiten bei den Empfängern andererseits eingestellt und bei Veränderung (meiner Bewegung durch den Raum) nachjustiert werden. Das Prinzip bleibt natürlich erhalten, wenn wir es mit mehr Geräten zu tun haben.

Miteinander reden a la Bluetooth
Switch – denken wir an zwischenmenschliche Kommunikation. Da ist ein Sender, zum Beispiel ein Vortragender oder eine Führungskraft, der eine Botschaft an eine Gruppe von Empfängern geben möchte. Dass die Sprachlautstärke auf die Situation der Zuhörer angepasst sein muss ist noch halbwegs trivial.
Interessanter ist jedoch, wie deutlich die Botschaft formuliert werden muss, damit alle sie verstehen. Man darf sie weder ignorieren können noch soll sich jemand überrollt fühlen. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, sagt man, klare Ansage ist für viele Menschen ein guter Ansatz. Allerdings besteht dann die Gefahr, die sensiblen Zeitgenossen zu verschrecken. Entsprechend ist es angezeigt, die „Sendeleistung“ zu reduzieren und möglichst jede Kommunikation in ihrer Direktheit (oder nennen wir es an dieser Stelle mal Plumpheit) auf das notwendige Maß zu begrenzen.
Und auch die Empfängerseite muss sich der Situation anpassen. Wenn in der adressierten Runde etwas unempfindliche Kollegen sind, die nur eine deutliche Formulierung verstehen oder erst bei Drohungen aktiv werden, dann müssen die Sensiblen ihre inneren Ohren ein wenig unempfindlicher einstellen.

Jedenfalls muss die Kommunikation – analog zur Bluetooth-Verbindung - ständig wieder geprüft und bei Bedarf nachjustiert werden.

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Wer weiß schon, was ich wirklich wollte?

Wer weiß schon was ich wirklich wollte
Szene wie folgt: Ich bin im Restaurant, habe zwei Wein getrunken, und jetzt will ich nach Hause. Selber fahren kann ich nicht mehr, ich brauche ein Taxi. Ich gehe an die Theke und frage den Wirt nach einem Telefonbuch. Bei „T“ werde ich fündig, benötige jetzt nur noch ein Blatt Papier und einen Stift, um mir die Nummer aufzuschreiben. Gegen Rückgabe des Telefonbuches weist mir der Wirt den Weg zum Wandtelefon neben den Toilettentüren, ich krame in meiner Geldbörse nach Kleingeld und nehme den Hörer ab. Nach längerem Klingeln geht ein Mann ans Telefon, fragt wo ich bin und wohin die Fahrt gehen soll. Ich blicke über die Schulter, rufe eine Bedienung und frage nach der Adresse des Restaurants; meine eigene kenne ich ja. „Okay“, meine ich von der Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, oder war es ein „Oh, nein“? Auf Nachfrage bekomme ich die Fahrt bestätigt, irgendwann demnächst sollte ein Fahrzeug vorbeikommen – aber noch zwei Transporte davor, es kann also etwas dauern.

Szene wie folgt: Ich bin im Restaurant, habe zwei Wein getrunken, und jetzt will ich nach Hause. Selber fahren kann ich nicht mehr, irgendwie muss ich transportiert werden. Ich hole mein Handy aus der Tasche und starte die App für Heimfahrt. Schwupps zeigt es mir an, dass ich in voraussichtlich vierzehn Minuten abgeholt werde. Fertig.

„Eigentlich“ wollte ich nur zu meiner Wohnung, aber im ersten Fall musste ich eine ganze Reihe Dinge tun, die im engeren Sinne gar nichts mit der Fahrt zu tun hatten (Nach einem Telefonbuch fragen, ein Taxiunternehmen suchen, dort anrufen etc.). Und ich musste die Voraussetzungen und Abläufe kennen: Erst das Telefonbuch, dann der Zettel, dann das Telefon und so weiter. Das Ganze flankiert von kleinen Herausforderungen wie dem Herausfinden der aktuellen Adresse und dem Suchen nach Kleingeld.

So geht es uns als Kunden doch fast ständig. Wir merken schon gar nicht mehr, welchen umständlichen Prozessen wir ausgesetzt sind. Und die Anbieter sind oft weder willens noch in der Lage noch haben sie die nötige Phantasie, um diese Umwege zu erkennen.

Je komfortabler das „Kundenerlebnis“ werden soll, desto mehr Prozess-, Daten- und Produktgrenzen müssen oft überschritten werden. Erst die Verknüpfung von Ortsbestimmung (GPS-Ortung), Datenbank mit Transportdiensten in Kombination mit der Internetsuche nach Taxi, Uber und Co, Ermittlung der Heimatadresse, Abfrage der verfügbaren Fahrzeuge und Buchung der günstigsten Option bringt das perfekte Ergebnis.

Was ich dagegen oft erlebe ist eine lokale Optimierung. Entschuldigt, liebe Berater, aber die Bereitstellung eines Tabletts als Ersatz für das Telefonbuch ist zwar eine Digitalisierung, aber bestenfalls eine punktuelle Verbesserung, noch nicht mal ein Schritt in die richtige Richtung. Bei dem oben dargestellten Zielbild kann ich nämlich weder dieses Tablett noch das darauf gespeicherte Telefonbuch bei der vollständigen Digitalisierung weiterverwenden.

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Das Mooresche Gesetz im PC und im Gehirn

Das Mooresche Gesetz im Alltag

Mal so zur Auffrischung: 1965 postulierte Gordon Moore, dass sich die Anzahl der Transistoren pro Chip alle zwei Jahre verdoppelt. Damit beschrieb er den bis heute ungebrochenen Trend der stetig steigenden Leistungsfähigkeit von Computerprozessoren.
Tatsächlich erlebe ich auch in meinem Alltag, wie die Hardware immer leistungsfähiger wird, in manchen Bereichen noch spürbar beschleunigt, in anderen Bereichen bereits so schnell ist, dass man überhaupt keinen Steigerungsbedarf mehr hat.
Die Personal Computer – seien es Laptops, Desktops, Tabletts oder sonstige anfassbare oder virtuelle Clients – werden tatsächlich immer flotter. Mit der zunehmenden Arbeitsgeschwindigkeit sind dank sinkender Preise auch der Arbeitsspeicher sowie die Festplatten immer größer geworden. Aber als Anwender merke ich das gar nicht im zu vermutenden Umfang. Vielmehr scheint die Geschwindigkeit zu stagnieren, stellenweise sogar abzunehmen.

Woran liegt das nur? Im Hintergrund der eigentlichen Nutzanwendung muss sich das Gerät mit allerlei anderen Vorgängen beschäftigen. Da laufen Virenscanner, Firewalls, Proxys, Auto-Updater und nicht zu vergessen zahllose Cloud-Dienste, die in Kommunikation mit weit entfernten Zentralsystemen stehen. 
In Summe bremst diese ständig zunehmende Anzahl an Nebentätigkeiten meinen Computer so weit herunter, dass er trotz beachtlicher Leistungsfähigkeit bestenfalls noch so schnell läuft wie das alte Modell vor zehn Jahren. Konnte ich seinerzeit meinen Druckauftrag direkt über ein Kabel  an den Drucker schicken, so gebe ich jetzt meinen Output über eine LAN-Strecke zum Printer, wobei dieser aber erst mal (heimlich) bei HP nachfragt, ob ich ein Benutzerkonto habe.

Beängstigend – und damit zum psychologischen Teil dieses Artikels: Mir geht es als Mensch nicht viel anders. Analog zum Mooreschen Gesetz erlebe ich im Laufe der Jahre eine massive Arbeitsverdichtung und soll immer mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit bearbeiten. Im Endeffekt lässt sich aber gar nicht die zu erwartende höhere Abarbeitung feststellen. Auch in meinem Arbeitsumfeld gibt es nämlich so etwas wie Virenscanner (Revision, Aufsicht etc.), muss ich Änderungen an meinen Prozessen mitmachen (Auto-Update) und viele weitere verdeckte Leistungen erbringen. 

Hieraus resultiert, dass insbesondere Querschnittseinheiten trotz immer besser gestalteten Prozessen, effizienteren Abläufen, Tools und Workflows auf der Stelle treten. Was sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter eine echte Belastung ist.


Mittwoch, 7. Dezember 2022

Abwechslung, die du wirklich hörst

Mit dem Slogan „Abwechslung, die du wirklich hörst“ macht ein Radiosender Reklame. Nur: Was meint er mit Abwechslung? Dass er nicht ununterbrochen dasselbe Lied spielt? Dass er abwechselnd schnelle und langsame Titel anbietet? Dass zwischen den Musikstücken auch Comedy läuft?

Abwechslung, die du wirklich hörst
Abwechslung ist einerseits eine Frage des Inhalts, andererseits eine Frage der Zeitspanne. Wenn ich stündlich eine gewisse Auswahl höre, die sich lediglich in der Reihenfolge unterscheidet, dann empfinde ich das nicht als echte Abwechslung. Wiederholt sich die Musik erst am nächsten Tag und wird durch neue Songs ergänzt, empfinde ich das schon viel eher als Vielfalt. Wobei die neuen Songs zum Gesamtstil des Senders passen müssen.

Warum ich das erzähle: Der Slogan zielt auf unsere Sehnsucht ab, ein aufregendes Leben zu führen, fernab der Monotonie. Es wäre naiv zu erwarten, dass jeder Tag wieder neue Aufgaben bringt, aber ein gewisses Maß an Abwechslung macht die Berufstätigkeit attraktiv. Noch mal kurz ein Blick zurück auf die Musikauswahl des Senders und den Transfer in den Arbeitstag. Ununterbrochen dieselben Formulare auszufüllen ist auf Dauer unerträglich. Auch die alternierende Bearbeitung zweier Vorgänge ist kaum besser, ein wenig Leben bringen eher gelegentlich eingestreute Sonderaufgaben.

Perfekt ist eine Mischung aus Aufgaben, die routiniert und entsprechend sicher abgearbeitet werden können und Ergänzungen, die zwar eine kleine Herausforderung darstellen, dabei aber bewältigt werden können. Wobei das Mischungsverhältnis sehr individuell ist – während der eine seine gewohnten Abläufe liebt, erwartet der andere turbulente Wechsel. Und ganz wichtig dabei, sich den Radiosender noch mal in Erinnerung zu rufen und die Unterscheidung zwischen Inhalten, Gesamtstil und Wiederholungsrate auf die Variation von Tätigkeiten zu übertragen.

Dienstag, 29. November 2022

Auf der Mittelspur ist er geboren

Gerade komme ich von einer längeren Autobahnfahrt zurück und bin wieder gut zu Hause. Wer längere Strecken zurücklegen muss, der hat zum einen Abschnitte mit viel oder weniger Verkehr, dann aber auch Abschnitt mit oder ohne Baustellen, mit oder ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Doch wo auch immer ich unterwegs bin, es gibt immer die Fahrerinnen und Fahrer, die es sich auf der Mittelspur gemütlich gemacht haben.

Auf der Mittelspur ist er geboren
Wenn eher sporadisch mal ein weiteres Auto auf der Autobahn unterwegs ist, dann stört so ein Verhalten nicht weiter. Man überholt diese Fahrzeuge einfach ohne darüber nachzudenken. Wenn aber die Verkehrsdichte zunimmt, dann werden sie zur Plage. Ich darf sie ja nur links überholen, obwohl rechts genug Platz wäre. Nach dem letzten überholten Laster sind sie ja gar nicht auf die Idee gekommen, wieder auf der rechten Spur zu fahren. Nein, sie sind vermutlich vor hunderten von Kilometern aufgefahren, haben es sich auf der Mittelspur bequem gemacht und werden bis zu ihrem Autobahnkreuz oder ihrer Abfahrt auch dort bleiben.

Stimmt doch, solche Mitarbeiter kennen wir auch in der Firma. Irgendwann mal eingestellt worden, jetzt seit vielen Jahren auf ihrem Posten, man kommt nicht dran vorbei, obwohl sie ihren Job nicht so gut erfüllen, wie wir es uns wünschen. Überholen dann nicht unbedingt im Sinne von Karriere, sondern mehr im Sinne von zügigerer Abwicklung, moderner Umgang, optimierter Ablauf.

Nun habe ich ja verschiedene Möglichkeiten, mit diesen Zeitgenossen umzugehen. Ich kann ganz korrekt darauf warten, dass die linke Spur frei ist und sie überholen. Ich kann mich hinter sie einordnen, mit Blinker, Lichthupe, Gesten oder was mir sonst noch einfällt versuchen zu signalisieren, dass sie bitte dem Rechtsfahrgebot Folge leisten sollen. Oder sie rechts überholen.
Und natürlich die Frage, ob es mich emotional bewegt oder ich mehr oder weniger ungerührt meine Fahrt fortsetze, wie auch immer ich mit dem rollenden Hindernis umgehe.

Welcher Typ ich bin, ob ich eher zu einer Ordnungswidrigkeit (rechts überholen) neige oder dem Anderen deutlich machen möchte, dass er den Weg frei machen soll, vielleicht sogar rüberbringen möchte, dass er etwas falsch macht. Die Wahl der Strategie hängt auch vom Umfeld (der Autobahn), den Möglichkeiten (anderen Verkehrsteilnehmern), der Gesamtsituation (Verkehrsdichte und Witterung) sowie der absehbar weiteren Entwicklung (Baustelle oder Stau in Aussicht) ab.

Dieser lästige Kollege, der auf seit Jahren auf seinem Posten hockt, Vorgänge blockiert oder widerspenstig auf Prozessen beharrt: Füge ich mich gelassen in die Umstände, umgehe ich ihn geschickt oder äußere ich meinen Unmut und beschwere mich? Erst mal die Situation analysieren und dann im Einzelfall entscheiden – nur aufregen sollte ich mich jedenfalls nicht.

Mittwoch, 23. November 2022

Mut, Fehlerkultur und Sicherheit

Ich staune immer, wenn mal wieder der Aufruf nach Mut erschallt. Kaum ein Begriff scheint mir so offensichtlich als reines Lippenbekenntnis daher zu kommen. Wie irgendwelche Krieger sollen nun auch die Angestellten Mut zeigen. Dann ist Mut keine Tugend mehr, sondern ein Befehl. Und dieser wird – ganz im militärischen Sinne – von Vorgesetzten erteilt.

Nun ist Mut grundsätzlich positiv belegt, wird aber nicht selten mit Draufgängertum oder Wagemut verwechselt. Mut ist ein unentbehrlicher Bestandteil für Fortschritt, wenn man ihn als Gegenpol zu Zögerlichkeit, Verzagtheit oder ängstlichem Verharren versteht.

Mut Fehlerkultur und Sicherheit
Werfen wir einen Blick auf ein typisches Beispiel. Sehr viele Menschen in Deutschland erlernen als junge Erwachsene das Führen eines Autos. Ihnen einfach den Schlüssel in die Hand zu drücken und sie in den normalen Verkehr zu lassen wäre sicher fahrlässig. Also gibt es Fahrschulen mit Lehrern und Fahrstunden. Wobei der Fahrschüler das Auto lenkt, der Fahrlehrer aber eingreifen kann und für Notfälle eine komplette Pedalerie zur Verfügung hat.

Der Neuling wird also nicht alleine gelassen, es wird ihm zugetraut, das Fahrzeug zu lenken. Aber sicherheitshalber gibt es einen aufmerksamen Begleiter, der ihn vor Unfällen bewahrt.

Mut zu Veränderung, das bewusste, wenn auch kontrollierte Eingehen von Risiken ist wie gesagt eine wichtige Zutat für Entwicklung. Dauerhafte Angst vor Misserfolg hemmt jeden Fortschritt in Abteilungen oder Unternehmen. Sicherheit schafft in diesem Fall ein erfahrener Begleiter (analog zum Fahrlehrer), der die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges deutlich dämpft. Mal über einen Bordstein zu fahren ist in Ordnung, aber vor dem Crash mit einem Baum sollte man schon bewahrt werden.

Ein anderes Beispiel ist die Projektleitung. Spielraum in der Ausgestaltung und Ausprobieren müssen erlaubt sein. Auch hier kann man kleine Fehler verzeihen, große muss man aber durch kompetente Führung verhindern. Fehlerkultur heißt nicht, dass man freie Hand gibt, jeder noch so grobe Schnitzer ohne Folgen bleibt. Sondern das kontrollierte Zulassen kleiner Ungeschicklichkeiten und das gezielte Lernen daraus.

Noch mal zur Fahrstunde. Wenn ein Schüler auch nach zahlreichen Übungsstunden über den Bordstein hoppelt, Stoppschilder ignoriert und mit dem Befahren einer Landstraße überfordert ist sollte er nahegelegt bekommen auf das Autofahren zu verzichten. Analog sollte ein Mitarbeiter andere Aufgaben übertragen bekommen, wenn er zu der zugewiesenen Tätigkeit nicht geeignet ist, auch wenn er sie vielleicht gerne ausüben möchte.

Mittwoch, 16. November 2022

Immer schön im Gleichgewicht bleiben

Immer schön im Gleichgewicht bleiben

Tanzen ist die Kunst, trotz allerlei Bewegungen zu Musik stets im dynamischen oder statischen Gleichgewicht zu bleiben. Das klingt recht akademisch, aber tatsächlich würden wir bei jedem Schritt umfallen, wenn wir nicht durch irgendeine mehr oder weniger unsichtbare Gewichtsverlagerung den Schwerpunkt wieder über die Füße bringen würden.

Dabei ist nicht entscheidend, ob der Tanz eher ruhig daher kommt oder der Tänzer in wilden Bewegungen über die Tanzfläche wirbelt. Je weniger Veränderung, desto präziser muss der Schwerpunkt zu jeder Zeit über den Tanzschuhen platziert sein. Bei zügigen Bewegungen sind noch weitere Aspekte wie zum Beispiel die Fliehkraft zu berücksichtigen.

Was beim Tanz automatisch passiert, ja schon beim Gehen oder Laufen erforderlich ist, das ist bei der strategischen Ausrichtung einer Organisation gar nicht so selbstverständlich. Aber auch hier muss das Gleichgewicht austariert werden, sonst gibt es eine unerwünschte Panne; Wer das Controlling aufstockt, der sollte auch mehr zu steuern haben, sonst droht die Selbstbeschäftigung. (Das gilt natürlich auch für andere grundsätzlich notwendige und wünschenswerte Einheiten.) Weder der Personalbereich noch die IT oder die Unternehmenskommunikation dürfen Selbstzweck sein. Wachsen sie überproportional, dann ist das Gleichgewicht gestört.

Klassischer Paartanz ist die Bewegung zweier Menschen, hier kann man in vielen Figuren ein gemeinsames Gleichgewicht beobachten. Falsch ist, wenn der eine Partner auf Kosten des anderen außerhalb seines Schwerpunktes unterwegs ist und diesen damit belastet: Erst mal muss jeder selbst auf seinen Füßen stehen. Richtig allerdings, wenn in manchen Figuren ein Gleichgewicht zwischen den Beteiligten angestrebt wird, jeder ohne den anderen hinfallen würde.

Auch diese Analogie lässt sich auf Organisationen übertragen. Nur leider wird dabei oft übersehen, dass in jedem Fall ein enger Austausch stattfinden muss und eben der Schwerpunkt im einen Fall für beide Seiten einzeln, im anderen Fall für die gemeinsame Einheit austariert werden muss.

Mittwoch, 9. November 2022

Das Popometer

Das Popometer
Mit dem bekannten Rallye-Fahrer Walter Röhrl verbinde ich den Begriff Popometer. Er vertrat mit dieser Wordkreation die Ansicht, sich nicht auf die Armaturen vor sich (also Drehzahlmesser und Tachometer) zu verlassen, sondern den Zustand und die Dynamik des Autos zu erfühlen – mit dem Popo eben.

Ein absoluter Profi, der sich auf sein Gespür verlässt, ja, geht das denn? Offensichtlich geht das sogar sehr gut, immerhin war er auf seinem Gebiet Weltmeister. Das Steuern des Autos beherrschte er ausgezeichnet, und natürlich nutzte er dafür alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen. Das waren die Instruktionen seines Copiloten genauso wie Geräusche, Wahrnehmung der Fliehkraft, Absehen der Strecke, und sicher auch die Anzeige der Instrumente.

Steuern wir Vorgänge und Abläufe ebenso ganzheitlich? Manchmal wünschte ich mir, dass nicht nur die Instrumente abgelesen würden (Key Performance Indikatoren, Deckungsbeiträge, Effizienzkennzahlen etc.), sondern auch die anderen Impulse wahrgenommen und in der Planung berücksichtigt würden. Als „Copilot“ wird ein fremder Berater interviewt; das würde ein Rallye-Fahrer niemals machen, er muss mit seinem Beifahrer eine Symbiose eingehen, gleichen Risiko-Appetit haben, möglichst wie eine Person mit vier Augen agieren.

Und auch die Beobachtung des Umfeldes, Erfühlen des Zustandes der Abteilung oder gar des Unternehmens sind keine Gefühlsduselei, sondern unbedingt zu berücksichtigende Faktoren. Wer feinfühlig die „Drehzahl“ mitbekommt, verhindert ein Abwürgen genauso wie ein Überdrehen. Und das ist genauso wichtig wie auf der Piste zu bleiben und nicht im Graben zu landen.

Dienstag, 1. November 2022

Aber das kann ich doch gar nicht

Aber das kann ich doch gar nicht
Kaum hat ein Sportler das gemacht, was er kann - nämlich einen Ball über das Netz zu schlagen – muss er etwas machen, was er nicht kann – nämlich ein Interview geben. Wir alle kennen die teils lustigen, teils tragischen Ausführungen der vor das Mikrofon gezerrten Prominenten.

Doch so geht es munter auch in ganz vielen Situationen in unserem Leben. Wir nehmen eine Rolle ein und damit sind irgendwelche Erwartungen verknüpft. Mal offensichtlich, mal eher verborgen. Um beim Tennis zu bleiben: Wer in der Rolle des Profis daherkommt, von dem wird man natürlich erwarten, dass er mit Schläger und Ball gut umgehen kann. Auch Fitness und Ernährung sind Themen, die der Sportler sicher mit abdecken muss. Ein gewisses Geschick beim Durchlaufen der Leistungsstufen und Kader ist ebenfalls eine notwendige Fähigkeit. Geht man einen Schritt weiter und betrachtet die politischen und taktischen Aspekte könnte es eng werden, von möglichen juristischen und vertraglichen Punkten ganz zu schweigen.

Unbemerkt ist das im Alltag ja auch so, das beginnt ganz vorne bei der fest vorgegebenen Geschlechter-Rolle. Als Mann ist man doch prädestiniert, die Buchhaltung zu führen, Technik zu beherrschen und handwerkliches Geschick an den Tag zu legen. Frauen wiederum können von Natur aus kochen, soziale Kontakte halten und die Wohnung schmücken.

Oder auch nicht. Ich kenne ganz schön viele Männer, die keine Ikea-Küche aufgebaut bekommen. Und die Technik auch nur so lange im Griff haben, wie sie Plug-and-Play ist. Andererseits Frauen, die bei Schreibarbeit zu Hochform auflaufen, aber Spaghetti anbrennen lassen können. So viel zur landläufigen Vorsortierung von Erwartungen.

Hier heißt es zu differenzieren zwischen ungeliebter Arbeit und Überforderung. Unser Wimbledon-Sieger von 1985 wehrte sich nicht gegen die Interviews; aber nicht allein, dass sie ihm sehr schwer fielen, man machte sich auch noch lustig über ihn. Anders als der Partner, der einfach keine Lust auf körperliche Arbeit hat, war der Tennisstar einfach überfordert, weil nicht eloquent.

Neben dieser Differenzierung ist auch die Beschäftigung mit Rollenerwartungen wichtig. Die Pakete, die wir im Kopf zusammenstellen sind teilweise schwergewichtig oder verknüpfen Qualitäten, die rein gar nichts miteinander zu tun haben. Und nur, weil es Rolleninhaber gibt, die auch weit auseinanderliegende Anforderungen erfüllen können heißt es nicht, dass der Rollenzuschnitt in unserer Gedankenwelt zutreffend ist.

Mittwoch, 26. Oktober 2022

Wanderung durch die Projektlandschaft

Wanderung durch die Projektlandschaft
Projektstart.

Heute bin ich früh aufgebrochen.

Initialisierung und Auftrag.

Der Rucksack mit Zelt, Proviant, Karte drückt mir schwer auf den Rücken.

Motivation.

Trotzdem bin ich zuversichtlich, weil ich im aufkommenden Tageslicht die schöne Bergwelt um mich sehe und die frische Luft einatme.

Zielsetzung und Ausblick.

Langsam wird es heller und in weiter Entfernung sehe ich von Zeit zu Zeit die Hütte liegen, die ich im Laufe des Tages erreichen will. Etwa auf halber Höhe liegt sie, noch einige hundert Höhemeter über mir und durch vermutlich mehrere Täler von mir getrennt.

Planung.

Während ich weitermarschiere schaue ich in die Weite, denke über die Entfernung nach, ein kurzer Gedanke an das Wetter und eventuell notwendige Zwischenstopps.

Projektumfeld.

Mein Blick schweift nach links: Auf dieser Höhe noch üppig bewachsene Wiesen. Und nach rechts: Ebenfalls Wiesen, allerdings erkenne ich in einiger Entfernung grasende Tiere.

Verdeckte / emotionale Randbedingungen.

Ich schließe kurz die Augen, nehme die Gerüche wahr, auch die Geräusche von Wind und der fernen Herde.

Aufwand und Zielerreichung.

Aber ich fühle jetzt auch die Anstrengung, den schweren Rucksack, die langsam ermüdenden Beine.

Projektfortschritt und Hindernisse.

Schnell mache ich die Augen wieder auf, sehe auf den Weg vor mir, nur gut, denn fast wäre ich gegen den Stein gestoßen, der mitten auf dem Weg liegt (woher kam der nur so plötzlich, ich hatte ihn doch vorhin nicht gesehen?).

Verdeckte Leistungen.

Jetzt, wo mein Blick nach unten auf den Weg konzentriert ist, sehe ich auch die Blumen, die den Rand des Pfades säumen. Die waren mir bislang gar nicht aufgefallen, obwohl sie fast einen Teppich bilden und so schön aussehen.

Statusbericht.

Unbemerkt habe ich mittlerweile einen guten Teil meines Weges hinter mich gebracht, auch mehrere Täler durchschritten.

Endspurt und Produktionsvorbereitung.

Zu meiner Freude taucht nun die Berghütte vor mir auf, gar nicht mehr weit, endlich. Da lasse ich es mir erst mal gut gehen und werde meine Brotzeit genießen, sobald ich sie erreicht habe.

Projektabschluss.

Geschafft! Der Rucksack ist durch einige Zwischenstopps und kleine Zwischenmalzeiten merklich leichter geworden, trotzdem bin ich froh, dass ich ihn für heute komplett absetzen kann.

Projektreview.

Erschöpft lasse ich mich auf die Bank vor der Hütte fallen, schaue aber stolz zurück auf den Weg, den ich gekommen bin und auf den fernen Startpunkt am Horizont.

Lessons learned.

Ich lasse den Tag noch einmal Revue passieren, denke beim Kauen über die Erlebnisse und Ausblicke der heutigen Tour nach.

Backup.

Das Zelt werde ich heute nicht brauchen, vielleicht auf der Etappe morgen.

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Vor dem Spiegel

Vor dem Spiegel
Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte meine rechte Hand. Ist sie eigentlich rechts oder links? Ich schaue an mir herunter, sie ist rechts. Aber irgendwie bin ich irritiert, da hat der Spiegel doch die Seite vertauscht. Zwinkern mit dem linken Auge bestätigt meinen Verdacht: Die Person im Spiegelbild zwinkert mit rechts. Also umgedrehte Seiten, auch wenn ich den Kopf neige, allerdings stimmen oben und unten. Woher weiß der Spiegel das nur?

Die Lösung liegt darin, dass der Spiegel nicht rechts und links, sondern vorne und hinten vertauscht. Den Effekt kennt jedes Kind, die Erklärung ist vielen Menschen unbekannt. Und das ist noch nicht einmal schlimm, am Ende ist für uns entscheidend, dass wir uns selbst betrachten können, je nach Situation die Kleidung kontrollieren oder das Make-up auftragen wollen. Wie schön, dass es Spiegel gibt, wie schön, dass sie auch ohne Kenntnis der physikalischen Grundlagen zu Diensten sind und wie schön, dass sie zuverlässig funktionieren.

Wobei gerade der letzte Punkt heutzutage eine nicht ganz selbstverständliche Eigenschaft ist. Stellen wir uns vor, der Spiegel bräuchte zwingend eine WLAN-Verbindung, müsste vor der Benutzung erst mal gebootet werden, bräuchte alle Nase lang ein Update und wäre irgendwann nicht mehr mit dem Waschbecken darunter kompatibel.

Schmunzler? Ich drehe den Spieß mal um und frage mich, warum es nicht mehr Spiegel in meinem Leben gibt. Die immer technischer werdende Landschaft mit ausgesprochen entbehrlichen Sonderfunktionen überfordert nicht nur mich zunehmend. Früher habe ich einen Lichtschalter betätigt, damit den Stromkreis geschlossen und es wurde hell. Heute ist der Lichtschalter „smart“, ich brauche zum Einschalten allerlei technisches Equipment. Heller wird es dadurch allerdings nicht.

An dieser Stelle haben wir (bislang) die Wahl, können uns für oder gegen die Sprachsteuerung mit Alexa entscheiden. Aber an vielen anderen Stellen lässt sich nicht ausweichen, ist ein moderner Fernseher ein Rechenzentrum mit Großbildschirm, was wir auch bei der Bedienung zu spüren bekommen. Womit klar wird, dass die Bedienbarkeit als Anforderung immer weiter in den Mittelpunkt geraten muss. Benutzer sind nicht nur technikaffine Nerds, intelligente Akademiker oder Wohlhabende, die sich alles einrichten lassen.

Kundenerlebnis („Customer Experience“) beginnt bei der Inbetriebnahme (Installation und erste Schritte), geht weiter über die Bedienung (Intuition) und endet noch nicht bei der Inbetriebhaltung (Wartung).

Wer zur Umsetzung dieser wichtigen Anforderungen Technikern das Heft in die Hand gibt muss sich nicht wundern, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz schön viele Kunden abgehängt sind. Testläufe mit normalen, vielleicht sogar ausdrücklich etwas ungeschickten Benutzern zahlen sich ebenso aus wie der Einsatz von professionellen Designern. Gemäß dem Motto „weniger ist mehr“ empfiehlt sich oft der Verzicht auf eine weiter Sonderfunktion oder die Möglichkeit, alle Parameter über irgendwelche Menüs steuern zu können.

Zumindest von der Richtung her zeigt uns die Marke mit dem Apfel im Logo einen Ansatz, der überzeugend viele Menschen anspricht. Ich weiß zwar nicht, wie die App funktioniert und sie kann auch nur diese eine Sache für mich erledigen, aber wie sie zu bedienen ist haben selbst Kinder nach wenigen Minuten verstanden. Das ist mit Sicherheit noch nicht das Ende des Fortschritts, unsere Entwickler und Ingenieure, aber auch Designer und Tester haben ein weites Feld vor sich. Und dieses weite Feld besteht – das möchte ich noch mal betonen – nicht nur aus technischen Aspekten.

Mittwoch, 12. Oktober 2022

Auch Kurvenfahren will gelernt sein

Wer noch nie auf einem Motorrad gesessen hat, der ist sicher schon froh, wenn er bei seiner ersten Fahrt nicht herunterfällt. Von scharfen Kurvenfahrten ganz zu schweigen. Man nennt das bewusste Inkompetenz, denn man weiß natürlich, dass man in dieser Phase ganz schön vieles noch nicht hinbekommt, das zügige Durchfahren scharfer Wegbiegungen gehört dazu.

Nach ein paar Fahrstunden wandelt sich das vorsichtige Herantasten zu einer gewissen Fertigkeit, auch als bewusste Kompetenz bezeichnet: Lass die Kurve ruhig kommen, ich weiß, wie ich sie zu nehmen habe. Und nach vielen weiteren Stunden auf dem Bock geht das dann in Fleisch und Blut über, selbst überraschende Straßenverhältnisse können gemeistert werden (unbewusste Kompetenz).

Bis dahin ein recht triviales Durchlaufen der „Kompetenzstufen“. Und bis dahin auch im beruflichen Alltag im Sinne von Qualifizierung bekannt. Mit den Jahren ist man routinierter geworden, hat in allerlei Themenfeldern Erfahrungen gemacht und handelt auch im Neuland mehr oder weniger intuitiv richtig.

Auch Kurvenfahren will gelernt sein
Doch Obacht, denn an genau dieser Stelle lauert die unbewusste Inkompetenz, ausgeprägt in Selbstüberschätzung, Überheblichkeit oder zumindest Betriebsblindheit. Weil man in seinem Themenfeld (und eventuell angrenzend) alles richtig zu machen scheint, stellt man sich zu selten in Frage, nimmt die eingeschränkte Kompetenz überhaupt nicht wahr.

Das kann – um wieder zum Motorradfahren zurückzukommen – tödlich enden. Krankenhäuser kennen den signifikanten Anstieg an Verletzten im Frühjahr, wenn die letztes Jahr noch routinierten Biker ein wenig aus der Übung gekommen sind und es dann zu Unfällen kommt. Oder auch die alten Hasen, die vom Rettungsteam aus dem Graben geholt werden müssen, weil sie meinen, nach unfallfreien Jahrzehnten die Fahrphysik überwinden zu können.

Wer führt (ein Motorrad oder ein Team), der ist also gut beraten, seine Kompetenzen immer mal wieder auf den Prüfstand zu stellen. Da er selbst nur die bewussten Anteile (bewusste Inkompetenz, bewusste Kompetenz) erkennen kann, muss er – unabhängig von seiner Intelligenz oder analytischen Fähigkeit! – auch das Außenbild abfragen.

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Mittwoch, 5. Oktober 2022

Jojo-Effekt im Selbstmanagement

Jojo-Effekt im Selbstmanagement

Klar, von Diäten kennen wir das. Das Gewicht nimmt zu, mal mehr, mal weniger und dann ist irgendwann die Schmerzgrenze erreicht. Eine Diät soll jetzt richten, was wir über die letzten Wochen und Monate verzockt haben. FDH, Trennkost, Brigitte, Low-Carb und wie sie alle heißen. Eine davon spricht mich an, ich ringe mich durch und siehe da: die Pfunde purzeln. Einige Wochen später ist die Quälerei zu Ende, die Diät wird abgesetzt und wie eigentlich zu erwarten steigt das Gewicht langsam wieder an.

Jetzt zu den Persönlichkeitsentwicklungen. Irgendwas läuft unrund. Sei es, dass ich mit meiner Außenwirkung unzufrieden bin, mein inneres Team nicht in den Griff bekomme oder das Zeitmanagement mir nicht gelingen will. Nun also ein guter Kurs, von einem Kollegen empfohlen, der mein Problem beheben soll. Der Schwerpunkt ist gesetzt, die anderen Teilnehmer sind nett und der Trainer kompetent. Die plausiblen Inhalte und Anregungen nehmen mich mit, mit leuchtenden Augen kehre ich zurück zum Arbeitsplatz. Doch unter der Tagesarbeit kommt die Nachbereitung zu kurz, die Erinnerung an den Lehrgang und seine Inhalte verblassen zunehmend.

Anfängliche Veränderungen und Erfolge verpuffen mangels Fortsetzung im Alltag. Die eigentlich notwendige Anwendung, tägliche Übung und unermüdliche Beobachtung des Erfolges sind kaum in die Tagesarbeit zu integrieren. Und so kehre ich langsam wieder in meine alten Verhaltensmuster zurück, eine vielleicht erzielte vorübergehende Besserung geht verloren. Mehr noch, bei Betrachtung dieses Rückfalls wächst der Stress und die Unzufriedenheit, habe ich doch zwischendurch schon mal besser dagestanden.

Was ist ein Ansatz, um beim Abnehmen nicht sofort nach Ende der Diät wieder zu seinem alten Gewicht zurückzukommen? Die relevanten Punkte während der Diät müssen auch in die Zeit danach übernommen werden. Also weniger der reglementierte Speiseplan, nein eher die Gewohnheiten, die Auswahl der Nahrungsmittel und eine praxistaugliche Optimierung der Mahlzeiten und –mengen.

Und bei den Persönlichkeitsänderungen? Natürlich ähnliches Vorgehen, nicht nur punktuell anderes Verhalten oder andere Denkansätzen, sondern der Transfer elementar wichtiger Aspekte in den Alltag, die bruchfreie Integration in mein persönliches Leben und die dauerhafte Umgestaltung dieser Seite meiner Lebensführung.

Denn in beiden Fällen spielt es eine entscheidende Rolle, ob ich mit den neuen Ansätzen oder Änderung der alten Gewohnheiten ohne Energieaufwand und Überwindung leben kann und will. Nur so ist eine nachhaltige Umstellung möglich und damit ein notwendiges Kriterium für die Vermeidung des Jojo-Effektes erfüllt.

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Dienstag, 27. September 2022

Da quietschen die Reifen

In ihrer Grundkonstruktion haben Reifen zwei Aufgaben. Sie sollen die Kraft es Motors auf die Straße bringen (Traktion), also für Fortbewegung sorgen. Und ebenso müssen sie dafür sorgen, dass wir in der gewünschten Richtung unterwegs sind (Seitenführung).

Nun sind diese beiden Anforderungen nicht unabhängig voneinander. Wer mal eine Vollbremsung ohne ABS machen musste weiß, dass bei blockierenden Reifen keine Lenkbewegung mehr angenommen wird – das Auto rutscht in Bewegungsrichtung vorwärts. In dieser Situation ist die Traktion maximal, die Seitenführung allerdings Null.

Im gegenteiligen Fall einer scharfen Kurvenfahrt ist zwar die Seitenführung unter Last, aber eine Beschleunigung oder Bremsen ist nicht möglich. Jedenfalls quietschen auch hier die Reifen.

Was kann man tun, um das zu optimieren? Einerseits kann man die Fahrbahn verbessern. Ebene Flächen mit dauerhaftem (möglichst konstanten) Kontakt zum Reifengummi oder griffige Asphaltflächen sind ein guter Ansatz. Andererseits kann man die Zusammensetzung der Reifen sowohl hinsichtlich innerem Aufbau als auch der Gummimischung und der Profilierung anpassen.

Jedenfalls haben die beiden Grundeigenschaften je nach Randbedingungen ihre Grenzen. Bei Regen gehen die erreichbaren Werte für Traktion und Seitenführung deutlich zurück, bei Glatteis können sie bis auf Null reduziert sein. Aber auch Hitze beeinflusst die Haftung, wer Winterreifen im Sommer fährt kennt dieses Phänomen.

Da quietschen die Reifen

Kurzer Blick rüber in die Strategie von Unternehmen. Brauchen wir die maximale Traktion, dann ist eine Richtungsänderung nicht empfehlenswert. Mehr noch, unter diesen Umständen ist eine Beeinflussung nicht möglich. Versucht man in solch einer Phase, neben scharfer Beschleunigung auch noch Umstrukturierungen oder Portfolioanpassungen durchzuführen, ist die Gefahr des Scheiterns ausgesprochen hoch. Ist eine Neupositionierung, gar eine strategische Neuausrichtung angesagt, dann ist wiederum eine überstürzte Prozessoptimierung und Produktivitätssteigerung kontraindiziert.

Die Kombination dieser beiden Änderungswünsche (Geschwindigkeit bzw. Richtung) ist nur eingeschränkt möglich – eine Einsicht, die nach meiner Beobachtung in der Praxis leider oft fehlt.

Und auch die Analogie mit dem Glatteis lässt sich sehr schön herstellen. Ist die Beeinflussbarkeit stark reduziert, das Unternehmen also kaum manövrierfähig, dann Finger weg von jeglicher Strategieänderung, Kurs fortsetzen und darauf hoffen, dass der Markt keine Eskapaden macht. Denn in dem Fall hilft es nur noch den Sicherheitsgurt festzuziehen, auf besseren Gripp zu waren oder den Aufprall vorzubereiten, sprich das Unternehmen in seiner bisherigen Form aufzulösen.

Auf die Betrachtung der Einflussnahme auf die Kunden bzw. den Markt (Optimierung der Straße), die Relevanz der Personalstruktur (Gummimischung), der Unternehmenskultur (innerer Aufbau) und die Präsentation am Markt (Profilierung) möchte ich nicht im Detail eingehen.

Bemerkenswert finde ich allerdings, dass die Reifenindustrie eine ausgeprägte Forschung und Entwicklung betreibt. Branchen mit viel „spannenderen“ Produkten überlassen dieses wichtige Feld aber externen Beratern oder legen gar keine Priorität auf diese Themen. Was dazu führt, dass viel Potential verschwendet und die Erfahrung anderer Branchen nicht im möglichen Umfang genutzt wird.

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Mittwoch, 21. September 2022

NLP als Brücke zwischen Innen und Außen

Der Grundgedanke von NLP (Neuro Linguistischer Programmierung) ist ganz simpel. Was wir denken (Neuro) beeinflusst unser gesprochenes Wort (Lingustik). Und in diese Wechselwirkung können wir eingreifen (Programmierung). Soweit also einleuchtend.

NLP als Brücke zwischen Innen und Außen
Heute möchte ich ergänzend einen Blick auf das Zielsystem werfen. Was wir denken, ist ausschließlich in unserem Inneren vorhanden. Einen direkten Weg der Übertragung gibt es nicht, nur den Umweg über verschiedene Ausdrucksformen, von denen die Etablierteste das gesprochene Wort ist. Wir betrachten also die Wechselwirkung des innerst möglichen (nämlich der Gedanken) mit der Umwelt (vertreten durch unseren Antritt der Kommunikation, also der Verständigung).

Wenn wir davon ausgehen, dass wir über unser Denken unsere Sprache beeinflussen, aber durchaus auch über die Sprache unser Denken, dann ist die Steuerung im Sinne von NLP ein mächtiges Werkzeug, um eine Brücke zwischen Innen und Außen zu schlagen. Mit anderen Worten habe ich die Möglichkeit, auch meine Außenwahrnehmung zu beeinflussen, und zwar durch Kontrolle (Programmierung) meiner Gedanken (Neuro) die indirekte Steuerung meiner Wortwahl und Formulierungen (Linguistik).

Ein Beispiel. Es gibt einen Bekannten, der mir mit seinem missionarischen Eifer bezüglich Ernährung mächtig auf den Geist geht. Ansonsten ein netter Kerl, aber er darf nicht zu seinem Lieblingsthema kommen, sonst wird er unerträglich. Jetzt kann ich ihn in Gedanken zu einem bescheuerten Fanatiker degradieren. Das wird seiner ansonsten positiven Art nicht gerecht und führt dazu – was noch schlimmer ist –, dass er sich durch die (unbewusste) Wahl meiner Formulierungen als gesamte Person abgewertet fühlt.

Wie viel geschickter ist es, ihn schon in meiner inneren Bewertung mittels NLP in die Rubrik liebenswerter Zeitgenossen zu sortieren, wenngleich mit dem Vermerk, dass Ernährung als Gesprächsthema ziemlich anstrengend werden kann. Schon ist die von innen nach außen getragene Wertschätzung von ihm als Mensch erheblich positiver, was er zweifellos merkt und entsprechend quittiert.

Anschaulich wird damit klar, dass die Kette Gedanken – Ausdruck – Verhalten bis auf die Außenwelt (in diesem Fall die Beziehungsebene) durchschlägt. Und ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass mit der geänderten inneren Einschätzung auch deutlich schlechter erreichbare Ausdruckskanäle wie Körpersprache und Gesten / Mimik gut gesteuert werden können. Als Gesamtwerk kommt man damit zu einer als konsistent und authentisch empfundenen Außenwirkung.

Mittwoch, 14. September 2022

Selbstbild und Fremdbilder

Selbstbild Inneres Fremdbild Äußeres Fremdbild

Wir haben schon als Kind gelernt, dass es ein Selbstbild und ein Fremdbild gibt. Wobei diese beiden „Bilder“ voneinander abweichen können. Doch damit nicht genug, wenn man etwas genauer hinschaut, gibt es noch eine dritte Kategorie, nämlich das innere (vermutete) Fremdbild.

Stellen wir zunächst die Tat-Sächlichkeit in den Mittelpunkt, dann wird diese von uns anders wahrgenommen als von unseren Mitmenschen. Nennen wir unsere eigene Einschätzung der Qualitäten mal inneres Selbstbild, denn es kommt von innen und bezieht sich auf uns selbst. Wir vergleichen uns (heimlich) mit anderen Personen oder schauen in den Spiegel.

Daneben gibt es aber auch ein inneres Fremdbild, das ist unsere Vermutung, wie unser Umfeld uns wahrnimmt. Es speist sich aus den Reaktionen (Feedback), insbesondere aber auch Zeugnissen und Lob bzw. Kritik.

Und schließlich gibt es das äußere Fremdbild, wie meine Mitmenschen mich sehen und erleben. Gute Freunde geben hierzu manchmal Hinweise, doch dabei ist äußerste Vorsicht geboten, weil auch diese meist nicht wirklich objektiv sind. Daneben ist wichtig zu begreifen, dass auch das wirklich vorhandene äußere Fremdbild nicht unbedingt mit der Tatsächlichkeit übereinstimmen muss. Das kann zum einen daran liegen, dass ein Mensch unnahbar daher kommt, dies in Wirklichkeit aber nur als Schutzmechanismus auslebt. Zum anderen haben nicht wenige Menschen mehrere Seiten: Denken wir zum Beispiel an einen schüchternen Nerd, der am Wochenende auf der Rockbühne aufdreht.

So drapieren sich also die verschiedenen Bilder um den charakterlichen Kern herum. Jeder sieht etwas, aber es ist eben nur ein Bild. Und selbst wenn man den Standpunkt wechselt und eine weitere Perspektive hinzufügt, ist es weder für mich noch für mein Umgebung möglich, ein vollständiges und objektives (räumliches) Abbild zu erhalten.



Mittwoch, 7. September 2022

Ich fahre hinter dem Laster her

Mit Überholen bin ich sehr zurückhaltend, nicht gerade wenige Unfälle passieren beim missglückten Versuch, an seinem Vordermann vorbeizuziehen. Wie leicht verschätzt man sich, kollidiert mit dem Gegenverkehr oder landet wegen überhöhter Geschwindigkeit im Graben. Umso mehr nervt es mich, wenn ein Laster vor mir her fährt. Nicht alleine, weil er langsamer fährt als ich es möchte und er damit ein Hindernis darstellt. Nein, noch viel mehr stört mich, dass mein Blick nach vorne erheblich eingeschränkt ist, weil eine Art Bretterwand vor mir herfährt, die mir die Sicht versperrt.

Mein Versuch, den weiteren Fahrtverlauf zu planen scheitert, vorausschauender Fahrstil ist nur sehr eingeschränkt möglich.

Als ich als junger Fahrer anderen Verkehrsteilnehmern davon erzählt habe, konnten sie mein Problem nicht nachvollziehen. „Dann ist halt ein Laster vor dir, das ist doch nicht schlimm, irgendwann biegt er ab oder du kannst ihn überholen.“ Sicherlich richtig, aber die eingeschränkte Sicht sorgte bei mir für Nervosität. Mehr noch, ich konnte gar nicht verstehen, dass andere Fahrzeugführer damit keinen Stress haben. Es dauerte eine Weile, bis ich die Ursache erkannte: Wer von vornherein weniger Wert auf Voraussicht legt, den wird der Laster vor ihm kaum stören. Es ist nicht nur eine Frage der Grundeinstellung und vielleicht einer entspannteren Herangehensweise, es ist vielmehr eine Frage des eigenen Anspruchs.

Das zieht sich durch: Es gibt Dinge, die uns wichtig sind und andere Sachen, die für uns bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Bemerkenswert sind dabei zwei Aspekte. Erstens hat jeder eine individuelle Werteskala und es ist ein leider häufiger Trugschluss, dass das Umfeld eine auch nur ähnliche Werteskala hat. Zweitens bin ich bei mir persönlich wichtigen Dingen auch anderen Menschen gegenüber aufmerksam; was mir eher egal ist, wird von mir auch bei meinen Mitmenschen nicht wertgeschätzt.

Beide Punkte haben erhebliche Auswirkung auf mein Handeln. Es ist wichtig zu verstehen, dass mein Nachbar ganz anderes als ich wichtig findet. Geselligkeit oder Hausordnung? Und ebenso muss ich mir im Klaren sein, dass meine Aufmerksamkeit für Leistungen von Arbeitskollegen, die ich vielleicht anders oder gar nicht erbringen würde, recht eingeschränkt ist. Als Beispiele nenne ich „Bemuttern“ des Teams oder die Erledigung von Kollektivaufgaben.

Im zwischenmenschlichen Umgang ist dieses Verständnis jedenfalls von zentraler Bedeutung, auch wenn der Laster vielleicht in wenigen Kilometern abbiegt, sprich sich das Problem von alleine löst.

Dienstag, 30. August 2022

Wenn Vorstände Holz bearbeiten

Kein Kapitän auf einem ernst zu nehmenden Schiff kennt jede Schraube, er weiß meist nicht einmal, wie man den Schiffsdiesel optimal startet oder wie die Tampen korrekt aufgeschossen werden. Das ist auch nicht nötig, er plant den Kurs, legt mit den Offizieren die Etappen fest und delegiert die Detailarbeit an die jeweiligen Spezialisten.

 Ähnlich sind durchaus auch Vorstände unterwegs. Ein deutlicher Unterschied ist jedoch, dass Seeleute gleich welchen Ranges mit den Unbilden des Wassers und des Windes konfrontiert sind. Sie müssen zwangsweise akzeptieren, dass bestimmte Dinge einfach nicht gehen. Je nach Strömung oder Windrichtung ist mancher Kurs schlichtweg nicht oder nur mit verschwenderischem Aufwand zu fahren.

Vom Marktumfeld und sonstigen Randbedingungen wie Arbeitsmarkt, Energiebeschaffung oder Rohstoffen sind alle Branchen mehr oder weniger betroffen. Insofern könnte man hier eine Analogie zur Seefahrt sehen. Doch leitende Angestellte oder Vorstände haben zusätzlich die Eigenschaft, dass sie gewohnt sind, dass ihre Forderungen umgesetzt werden. Was sie wollen wird irgendwie möglich gemacht, zum Teil unter erheblichen Mühen.


Stellen wir uns vor, ein Mensch mit dieser uneingeschränkten Umsetzungserwartung würde Holz bearbeiten. Einen Werkstoff, der sich durch seine manchmal recht widerspenstigen Fasern, seine enthaltenen Wirbel und Maserungen alles andere als homogen verhält. Was mit dem einen Stück geht, ist bei dem nächsten Abschnitt unmöglich. Und auch die grundsätzlichen Eigenschaften lassen sich nicht überlisten. Ich kann wollen, dass Holz weder quillt noch schwindet, aber in der Praxis wird es abhängig von der Feuchtigkeit seine Abmessungen ändern.

Da endet jede Befehlsgewalt, auch Hierarchie ignoriert ein aufgeschnittener Baumstamm geflissentlich. Vielmehr heißt es mit den Gegebenheiten Frieden zu finden, mal von vorne, mal von hinten zu hobeln, Längenveränderungen zu ermöglichen ohne dass sie sich auswirken. Das erfordert eine Mischung aus Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Ausprobieren. Mit anderen Worten geht es wieder mal um die Handhabung eines komplexen Systems. Ob nun hohe See, Holz oder Unternehmen.

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Dienstag, 23. August 2022

Ja, nein, aber, und.

Vor mir sitzt ein Kollege mit strahlenden Augen. Eine aus seiner Sicht tolle Idee geht ihm im Kopf herum, der Gedanke lässt ihn nicht los und er muss mir unbedingt davon berichten.

 1. Ja, sage ich, das ist eine wundervolle Idee. Das Ganze solltest du weiter durchdenken, mach‘ mal eine Skizze, jedenfalls solltest du der Sache nachgehen.

 2. Nein, da hast du einige ganz wichtige Punkte übersehen, das kann so nicht gehen. Wenn du es noch mal sorgfältig durchdenkst wirst du feststellen, dass es nicht funktioniert.

 3. Im Grunde ganz interessant, aber so einfach geht das nicht. Könnte ganz gut werden, aber ehrlich gesagt bin ich ein wenig skeptisch.

 4. Der Anfang ist gemacht und ich setze noch eins drauf. Ausgehend von deiner Idee lässt sich der Gedanke fortspinnen und noch weiter ausbauen. 

Welcher Typ sind sie? Der Ja-Sager? Der Abblocker, der Bedenkenträger oder der Motivator?

Im Alltag darauf achten, wie man auf Aktionen reagiert, welches der vier Signalwörter man besonders häufig verwendet. Denn das sagt doch ziemlich viel über die Grundeinstellung aus. Und im Sinne von Neurolinguistischer Programmierung kann man auch erreichen, durch stetig geänderte Wortwahl vom demotivierenden Skeptiker zum ermutigenden Anschieber zu werden. 

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Mittwoch, 17. August 2022

Warum bist Du eigentlich hier?

Also, warum ich im Fitnessstudio bin, das weiß ich. Als Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit und dem vielen Sitzen möchte ich mich körperlich fit halten. Andere Kollegen joggen durch die Gegend, manche setzen sich aufs Fahrrad, ich gehe ins Studio.

Da schaue ich mich um und frage mich, was andere Kunden hierhin treibt. Naheliegend sicher auch irgendwelche sportlichen Gründe, vielleicht Muskelaufbau, Bodybuilding, Ausgleich anderer Sportarten oder Rehabilitation nach Unfällen. Eine ganz andere Sparte sind die Männer und Frauen, die eine Hilfe bei der Überwindung ihres inneren Schweinehundes brauchen. Sportkurse und Übungen in der Gruppe sind ein probates Mittel, um von einem Trainer motivierte Anstrengungen zu meistern. Drittens dann die Menschen, die ihre Grenzen fühlen möchten, vielleicht sich selbst auch beweisen wollen, was sie gestemmt bekommen. Oder sich als Kontrast zur Tagesarbeit mal so richtig auspowern wollen.


Habe ich noch eine Gruppe übersehen? Ja, natürlich. Da sind nämlich zu einem durchaus merklichen Teil auch noch Personen, die nur in zweiter Linie wegen der Fitness hier sind. Man möchte andere trainierte Menschen sehen, von diesen gesehen werden oder sich an seiner eigenen Schönheit erfreuen. Ein wenig wie ein Marktplatz mit der Option, sich – zumindest körperlich – ein bisschen zur Schau zu stellen.

Und das ist genau die Stelle, an der manche Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen blind sind. Denn diese durchaus beachtliche Fraktion der Kundschaft muss man natürlich ganz anders ansprechen als die offizielle oder als solche sichtbare Zielgruppe. Wichtige Kunden, die ich auch abholen muss, die ich aber nicht mit besonders guten Trainern oder topmodernen Geräten begeistern kann. Wie auch andernorts stellt sich die Frage, warum jemand ausgerechnet hierher kommen oder sogar etwas kaufen sollte. Da ist Kreativität gefragt: Wenn ich als Baumarkt nur Schrauben verkaufe, geht mir ungefähr die Hälfte der potentiellen Käufer durchs Netz, nämlich fast alle Frauen. Was dort die Abteilung mit Dekorationsartikeln ist, ist anderswo das Grillzubehör im Haushaltswarenladen.

Abschließend noch der Hinweis, dass es nicht nur eine Frage des Produktportfolios ist. Auch die Kombination aus sachlichen und emotionalen Komponenten muss so austariert werden, dass man einen möglichst großen Marktanteil erreicht.

Und noch abschließender die Feststellung, dass diese Gedanken auch für abstraktere Gebilde wie zum Beispiel Organisationseinheiten in Unternehmen gelten. Warum sollte sich ein Mitarbeiter für die Tätigkeit in meinem Unternehmen oder (genauer hingeschaut) in dieser Abteilung entscheiden; Vielleicht ist es die Herausforderung (Auspowern), die gemeinsame Arbeit (Sportkurs), die Erholung von einem Burnout in ruhigerem Umfeld (Rehabilitation) oder eine besonders nette Kollegin (Sehen und gesehen-werden). Eher die Karriere (Sache) oder eher das gute Betriebsklima (Emotion)? Ein Unternehmen so aufzustellen und Abteilungen so in Position zu manövrieren, dass sie nicht nur ihre Arbeit machen, sondern attraktiv für Mitarbeiter sind und bleiben, ist neben der strategischen Ausrichtung und Führung die anspruchsvollste Aufgabe für Manager.

Mittwoch, 10. August 2022

Wer für Geld kommt


Holla, da freut sich der Personalchef. Hat er es doch geschafft, einen interessanten Kandidaten für eine Stellenbesetzung zu ergattern, ihm ein paar Krümel und ein geringfügig höheres Gehalt als die Konkurrenz anzubieten.

Das Schnäppchen kommt, nimmt seinen Platz im Getriebe des Unternehmens ein und freut sich über die gute Bezahlung. Immerhin so lange, bis ein paar Headhunter auf ihn aufmerksam werden und ihn mit Angeboten belagern, bis er sich für die nächste Gehaltsrunde nicht mehr mit den Kollegen in der Schlange anstellt, sondern einfach kündigt und eine Tätigkeit bei dem Mitbewerber annimmt.

Mitarbeiterbindung, das weiß natürlich jeder Personaler, die geht nicht nur über Geld, denn das ist ein austauschbarer Köder und mehr oder weniger leicht zu überbieten. Nur emotionale Bindung, attraktives Umfeld, spannende Tätigkeit oder sonstige (persönlichkeitsabhängige) Motivation versprechen eine gewisse Treue zum Unternehmen.

Apropos Treue. Denn dieser schöne Sinnspruch „Wer für Geld kommt, geht auch für Geld wieder“ gilt nicht nur für den Beruf und HR-Abteilung. Er ist genauso zutreffend für alle anderen Formen der Liaison. Beispielsweise singt eine Frau mit Ehrgeiz im örtlichen Chor, weil der Chorleiter sie in besonderem Maße fördert. Lässt er nach und der Leiter eines anderen Chores erkennt das Potential, dann ist ein Wechsel kaum aufzuhalten.

Und in ganz besonderem Feld gilt es auch für die Partnerschaft. Was die Beziehung zusammengeführt hat, kann sie leicht auch wieder trennen. War es das Geld, mit dem der Mann immer angegeben hat? Oder die flotte Sohle, die die Frau bei den Partys aufs Parkett gelegt hat? Ging es um die starken Sprüche oder seine Führungsposition? Nahezu alle Faktoren verändern sich mit der Zeit, es gibt bestimmt einen Mann, der noch mehr Geld hat, eine Frau mit noch heißeren Tanzschritten, den cooleren Spruch und die Macht über noch mehr Menschen.

Wir haben im Chemieunterricht doch gelernt, dass Doppel- oder gar Dreifachbindungen besonders stabil sind. Also nicht nur auf einen Aspekt fokussieren. Und daneben sollte man sich immer vor Augen halten, dass äußere Schönheit vergeht, innere Schönheit besteht (auch in der Unternehmenskultur).

Mittwoch, 3. August 2022

Paragraph 1 in Unternehmen

Wie geht das eigentlich so typischerweise im Unternehmen? Immer erst mal schön die eigenen Interessen sichern, Vorfahrt nur gewähren, wenn es vorgeschrieben ist oder niemand sich beschweren kann. Notfalls auch mal mit hochgekrempelten Ärmeln nehmen, was es gerade zu fassen gibt.

Naja, sage ich, wo bleibt denn da der Paragraph 1?

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Dieses Grundprinzip hat sich im Straßenverkehr bewährt. Warum nicht auch in einer Organisation mit vielen Mitarbeitern? Sicher nicht ganz wörtlich, aber im übertragenen Sinn ist es naheliegend, dass es neben Vorfahrtsregeln auch so etwas wie Zusammenspiel gibt, auch wenn man sein (organisatorisches) Gegenüber gar nicht kennt.

Nur – hier wie da kommt uns die menschliche Natur in die Quere. Ist ja alles ganz schön, aber Fortschritt (für sich selbst, seine Einheit und so weiter) erzielt man meist nur mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Durchsetzungskraft. Und diese kollidiert häufig mit der Forderung nach Rücksichtnahme. Entweder erzwingt man diese Haltung (wie in der Straßenverkehrs-Ordnung), oder man schafft Anreize.

Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die eigene Arbeit zugunsten anderer Abteilungen und nicht zu deren Lasten zu gestalten. Und dabei die schwierige Balance zu halten, damit man nicht am Ende selbst der Benachteiligte ist. Ein erster und sehr wichtiger Schritt ist die Analyse der Situation: Schädigt ein Teil der Organisation einen anderen Teil oder wurde andererseits bei der Bearbeitung der Aufgaben auch an das Umfeld gedacht?

Erkennen verpflichtet zum Handeln, denn nicht wenig Arbeitsaufwand und emotionale Energie wird mit Rangeleien um Vorfahrt oder schlichter Rücksichtslosigkeit verschwendet.

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Mittwoch, 29. Juni 2022

Tanz Dein Unternehmen

Als ich vor ein paar Tagen bei den Pokalen aufgeräumt habe, dachte ich mal wieder an meine Tanzturniere. Beim klassischen Paartanz ist es ja so, dass per Definitionem der Herr die Führung hat. Er wählt während des Tanzes aus einem gemeinsam bekannten Repertoire die geeigneten Figuren aus und bestimmt die Richtung. Doch halt, weder das eine noch das andere tut er im Alleingang. Denn natürlich sieht er nur nach vorne, den Rückspiegel muss seine Partnerin für ihn ersetzen. Und das tut sie, indem sie kaum merklich Rückmeldung gibt, ob Platz ist, die Drehung überhaupt so weit ausgeführt werden kann wie vom Partner vorgesehen oder sogar eine ganz andere Figur erforderlich ist.

Wie im richtigen Leben kann sich der Herr über die Impulse der Dame hinwegsetzen, einfach seine Planung durchziehen und zum Beispiel eine Kollision mit einem anderen Paar riskieren. Im Ergebnis ist das allerdings schlechter als bei einem wohlabgestimmten Zweierteam.

Genauso ungünstig ist es natürlich, wenn die Dame die Führungsansätze des Herren nicht aufnimmt und sich nicht oder nur mit Gewalt führen lässt.

Es geht – wichtig zu verstehen und für manche Außenstehende unbegreiflich – nicht um hierarchische Bevormundung oder das Ausüben von Macht. Sondern um einen dynamischen Wechsel von Führung und geführt-werden. Und je sensibler beide Seiten für die kleinen und klitzekleinen Gewichtsverlagerungen und Impulse sind, desto harmonischer und für den Zuschauer geradezu schwebend wirkt die Performance.
Eines der Ziele beim Turniertanz ist also dieses Wechselspiel, das Souveränität vermittelt und beiden Partnern Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Denn auch bezüglich des Außenbildes ist festgelegt, dass die Dame das Bild und der Herr der Rahmen sein sollen. Was jedoch keine Wertung darstellt, sondern eher die Rolle charakterisiert, die die beiden Personen im Idealfall ausfüllen.

Im Berufsleben ist der Vorgesetzte (m/w/d) analog zum Herrn beim Turniertanz zu sehen und die Mitarbeiter sind die Damen. Zwar ist grundsätzlich definiert, wer vorgesetzt und wer untergeben ist. Aber das Wechselspiel der Führung und das sorgfältige Eingehen auf die möglicherweise kaum erkennbaren Hinweise der Mannschaft machen die wirklich erfolgreichen Teams aus.

Mittwoch, 15. Juni 2022

Empathie - der Wert von Kontrollfragen

Mir hat mal jemand erklärt, ich solle KLV-Folien entwerfen. Wobei KLV für Kinder-Laien-Vorstände steht. Ein schönes Bild, wie ich finde. Bei der Konzeption habe ich vor Augen, dass diese Zielgruppen etwas mit meiner Präsentation anfangen können.

Um den Gedanken exemplarisch weiterzuführen hier ein paar Kontrollfragen

  • Habe ich meine Sprache und Ausdrücke so gewählt, dass Kinder sie verständen?
  • Ist der Sachverhalt auch für Fachfremde (also in diesem Themenfeld Laien) nachvollziehbar?
  • Komme ich ohne Umschweifen auf den Punkt und schone die Zeit eines vielbeschäftigten Vorstandes?
  • Würde ich so auch mit einem geschätzten Menschen sprechen?
  • Würde ich so auch mit einem Vorgesetzten sprechen?
  • Kommt mein Mut nur aus der Deckung der Anonymität?
  • Wie würde mein Mann/Frau/Partner das beurteilen?
  • Würde ich auch so wild hupen, wenn aus dem Auto vor mir ein Schlägertyp ausstiege?
  • Wäre meine Kritik so hart, wenn ich in mein Gegenüber frisch verliebt wäre?
  • Belästige ich nur die nötigsten Mitmenschen mit meinem Anliegen?
  • Wie würde ich mich fühlen, wenn ich diese E-Mail empfinge?
  • Lasse ich gerade meine (schlechte) Laune an einem Kollegen aus?
  • Hätte ich diese Kleidung auch zu meinem ersten Rendezvous an?

Diese Fragen sind natürlich ein Mittel der Empathie. Diese schöne Eigenschaft ist manchen Menschen von Natur aus mitgegeben, andere müssen sie ein wenig künstlich erzeugen. Und genau dabei können aktiv gestellte Kontrollfragen eine große Hilfe sein. Sehr sinnvoll sind Listen, die man sich für die verschiedenen Szenarien der Interaktion (Telefon, E-Mail, Präsentation etc.) zusammenstellt und bei der Vorbereitung durchgeht.

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Dienstag, 7. Juni 2022

Ich springe mal woanders ab

Wer immer an derselben Stelle abspringt, landet auch immer an derselben Stelle.

Ein wunderbares Bild, ich male mir aus, wie ich auf der Aschebahn beschleunige und genau an der markierten Stelle meinen Schwung in einen Weitsprung ins Sandbett verwandle. Natürlich am einen Tag etwas weiter, am anderen etwas kürzer. Aber im Wesentlichen immer ähnlich. Kenne ich den Sandkasten in- und auswendig, dann hat dieser Sprung etwas von Routine, ja, die kann man trainieren und damit ein wenig größere Distanz überwinden. Überraschungen gibt es aber nicht.

Anders sieht es aus, wenn ich mal von einer anderen Stelle abspringe. Plötzlich lande ich im Sandkasten auch an einer neuen Zielstelle, da ist der Sand noch unberührt.

Ich halte es für einen äußerst spannenden Ansatz, auch seinen Lebensalltag so zu gestalten. Jeder will etwas erleben, will Abwechslung in sein Leben bringen. Lebt aber immer gleich, reagiert gleich, trifft immer prinzipiell gleiche Entscheidungen. Da kann ja keine wesentliche Veränderung herauskommen.

Mal ein Beispiel: Traditionell rufe ich wütend den Absender einer E-Mail an, die mich verärgert hat. Ein Wort gibt das andere, meine Meinung bin ich zwar losgeworden, aber die Nachwirkungen in Form gegenseitiger Beleidigung sind langanhaltend. Und jetzt mal anders. Ich nehme den Telefonhörer zunächst gar nicht in die Hand, lasse die Nachricht auf mich wirken und frage mich, wie ich humorvoll darauf reagieren könnte. Und dann rufe ich an, strahle meinen Gesprächspartner durch das Telefon an und verblüffe ihn, indem ich statt Schimpfkanonen ein paar freundliche Worte finde. Nicht einfach, aber der Effekt ist unbeschreiblich positiv.

Das ist übrigens nicht nur Theorie. Mein Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit einer temperamentvollen Mitbewohnerin, es ging um irgendein Thema, vermutlich wegen der Wohnungsreinigung. Wütend und lautstark steigerten wir uns gegenseitig in eine wilde Auseinandersetzung, keiften uns an und verschwanden schließlich wutschnaubend in unseren Zimmern. Und dann der Tag, an dem ich dieses wildgewordene Wesen in den Arm nahm und sie einfach drückte und versicherte, wie schön doch die gemeinsame Zeit in der WG sei. Schluss mit der Schreierei, wir hielten uns fest, ich glaube es flossen sogar ein paar Tränchen, und wir hatten unsere emotionale Beziehung auf neue Füße gestellt. Erst durch dieses geänderte Herangehen war zu Tage gekommen, dass sie bei allem Gezeter eigentlich meine Anerkennung und meine Freundschaft einklagen wollte.

Mut also, mal eine ganz andere Reaktion auszuprobieren. Fast möchte ich sagen, dass man gar nicht verlieren kann. Schlimmstenfalls hat man etwas über sich und den Anderen erfahren und gelernt, dass dieser Absprung noch nicht von der optimalen Stelle erfolgt ist. Was nicht schlimm ist, weil man ja hoffentlich noch eine Zeit lebt und einen anderen Sprung probieren kann.

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Mittwoch, 1. Juni 2022

Wer sagt denn, dass du mich verstehen sollst?

„Hej, das ist echt mega“, höre ich gerade und übersetze für mich, dass dieser Teenager von einer Sache ausgesprochen angetan ist. Begeistert ist. Sie toll findet, mega eben. Was ich soweit noch in meinen Wortschatz überführt bekomme. Auch der Transfer von Alter zu mein Freund lässt sich noch hinbekommen, aber wenn ich von Jugendlichen umgeben bin, fällt es mir zunehmend schwer, mich in deren Sprache zu orientieren. Und auf einmal wird mir klar, dass sie eine Fremdsprache sprechen. Jugendsprache halt. Und das ist nicht Zufall, sondern Absicht.

So wenig wie sie sich bei ihren Freunden und Aktivitäten in die Karten schauen lassen, so wenig möchten sie von Erwachsenen verstanden werden. Was ja sowieso nicht geht, weil Erwachsene ihre Probleme ohnehin nicht verstehen. Und die Evolution, die Emanzipation und heimlich geplante Revolution gar nicht mitmachen könnten. So bildet sich mit jeder neuen Generation eine neue Ausprägung der Sprache, Abgrenzung gegen alle benachbarten Generationen und ein Siegel für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe.

Eindringlinge werden abgewiesen, wer sich anbiedert oder gar erdreistet, diese Sprache nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache zu adaptieren, wird als voll peinlich beurteilt. Vokabeln, Redewendungen und Ausdrücke sind Teil einer Kultur, die in ständiger Bewegung ist. Wer heute noch mitten in der Pubertät steckt, ist morgen schon Establishment (wie es zu meiner Zeit hieß).

Und so merke ich mir an dieser Stelle (aber auch für andere Zusammenhänge): Manchmal sollte ich eine Fremdsprache nur verstehen. Mitzureden ist mir versagt, sofern ich nicht zu der jeweiligen Gemeinschaft gehöre. Schlaue Sprüche über Portfolio Risk Ratio oder Asset Allocation sind Investoren vorbehalten und wer für Cloud und Artificial Intelligence schwärmen möchte, der sollte in der IT zu Hause sein. Steigerungsmöglichkeiten in der Abstraktion sind die Vermischung mit anderen Kultursprachen (modern: englisch, klassisch: lateinisch) und Kür, wenn man seine Fachausdrücke auch noch abkürzt – die Mediziner machen uns vor, wie man sprachliche Abgrenzung perfektioniert.

Kurzum: Jedem sein Jägerlatein. Und von der Beherrschung der zum Teil abenteuerlichen Vokabeln bis zum tatsächlichen Verständnis der Sache oder gar Mitgliedschaft bei den Jagdpächtern ist es meist ein weiter Weg.

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Mittwoch, 25. Mai 2022

Bestellhotline Pizzeria da Luigi

HERZLICH WILLKOMMEN bei der Pizzeria da Luigi. Kennen Sie schon unseren Internetauftritt? Dort können Sie sich über unser Produktportfolio, Datenschutz und Hygienemaßnahmen informieren, einen Tisch reservieren oder eine Bestellung aufgeben. Gerne sind wir zu unseren Öffnungszeiten persönlich für Sie da… blablabla… unsere Mitarbeiter alle in der Küche oder im Service, der nächste freie… blablabla… Leider kommt es aufgrund hoher Gästezahlen zu erhöhten Wartezeiten. Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld - Ihre voraussichtliche Wartezeit beträgt 10 Minuten… düdeldü-klimperdieklimper… Kennen Sie schon unseren Internetauftritt? Dort… blablabla… düdeldü-klimperdieklimper…


Haben Sie das schon mal erlebt? Ich nicht. Luigi geht prompt ans Telefon, im Hintergrund höre ich zwar, dass der Laden voll ist, aber er hört sich sofort meine Wünsche an, gibt sie in die Küche oder schreibt meine Reservierung ins Buch. Kein Telefoncomputer, bei dem ich mir zig Optionen merken muss, um dann am Ende doch auf den Onlinebereich verwiesen zu werden. Kein Weiterverbinden, keine Wartemusik, keine Belehrung. Einfach nur Entgegennahme meines Anliegens.

Was ist daran so schwierig? Da steckt ja auch keine unendliche Mannschaft dahinter, kein bürokratischer Wasserkopf, keine bedauernswert dämliche Künstliche Intelligenz. Dem Geschäftszweit angemessene Besetzung, wer gerade in der Nähe des Telefons ist übernimmt den Hörer und ist in den typischen Business Cases routiniert. Wenn ich meinem Italiener etwas von Customer Experience erzähle, dann glänzen seine Augen, er schwärmt von Bella Italia und dem traditionsreichen Pizzarezept. Intrinsische Begeisterung, authentische Freude am Produkt namens Gastfreundschaft.

Da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Denn dieses Kundenerlebnis kann man nur sehr eingeschränkt in Euro messen. Was Controller traditionell etwas irritiert und zur Vernachlässigung dieses doch aus der Gastronomie wohlbekannten Assets führt. Viele Menschen genießen die erkaufte temporäre Dolce Vita, den Grappa aufs Haus und den Handschlag vom Chef persönlich. Und tatsächlich gibt es gar keinen Grund, warum ich nicht auch bei den Telefonhotlines dieser Welt ähnlich entgegenkommend und zügig bedient werden könnte. Da rackern sich die Marketingstrategen ab, um das Unternehmen oder seine Produkte positiv darzustellen, und dann verspielen die Ansprechpartner am Telefon dieses mühsam erarbeitete Gut.

Auf geht’s also, mach mir den Luigi. Einmal Kreditantrag zum Mitnehmen bitte, aber ohne Käse und das Dressing extra.

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