Interdisziplinäre Ansätze - Analogien, Gleichnisse, Anregungen für Perspektivenwechsel. Neuigkeiten jeden Mittwoch.
Mittwoch, 28. Dezember 2022
Miteinander reden à la Bluetooth
Mittwoch, 21. Dezember 2022
Wer weiß schon, was ich wirklich wollte?
Szene wie folgt: Ich bin im Restaurant, habe zwei Wein getrunken, und jetzt will ich nach Hause. Selber fahren kann ich nicht mehr, irgendwie muss ich transportiert werden. Ich hole mein Handy aus der Tasche und starte die App für Heimfahrt. Schwupps zeigt es mir an, dass ich in voraussichtlich vierzehn Minuten abgeholt werde. Fertig.
„Eigentlich“ wollte ich nur zu meiner Wohnung, aber im ersten Fall musste ich eine ganze Reihe Dinge tun, die im engeren Sinne gar nichts mit der Fahrt zu tun hatten (Nach einem Telefonbuch fragen, ein Taxiunternehmen suchen, dort anrufen etc.). Und ich musste die Voraussetzungen und Abläufe kennen: Erst das Telefonbuch, dann der Zettel, dann das Telefon und so weiter. Das Ganze flankiert von kleinen Herausforderungen wie dem Herausfinden der aktuellen Adresse und dem Suchen nach Kleingeld.
So geht es uns als Kunden doch fast ständig. Wir merken schon gar nicht mehr, welchen umständlichen Prozessen wir ausgesetzt sind. Und die Anbieter sind oft weder willens noch in der Lage noch haben sie die nötige Phantasie, um diese Umwege zu erkennen.
Je komfortabler das „Kundenerlebnis“ werden soll, desto mehr Prozess-, Daten- und Produktgrenzen müssen oft überschritten werden. Erst die Verknüpfung von Ortsbestimmung (GPS-Ortung), Datenbank mit Transportdiensten in Kombination mit der Internetsuche nach Taxi, Uber und Co, Ermittlung der Heimatadresse, Abfrage der verfügbaren Fahrzeuge und Buchung der günstigsten Option bringt das perfekte Ergebnis.
Was ich dagegen oft erlebe ist eine lokale Optimierung. Entschuldigt, liebe Berater, aber die Bereitstellung eines Tabletts als Ersatz für das Telefonbuch ist zwar eine Digitalisierung, aber bestenfalls eine punktuelle Verbesserung, noch nicht mal ein Schritt in die richtige Richtung. Bei dem oben dargestellten Zielbild kann ich nämlich weder dieses Tablett noch das darauf gespeicherte Telefonbuch bei der vollständigen Digitalisierung weiterverwenden.
Mittwoch, 14. Dezember 2022
Das Mooresche Gesetz im PC und im Gehirn
Mal so zur Auffrischung: 1965 postulierte Gordon Moore, dass sich die Anzahl der Transistoren pro Chip alle zwei Jahre verdoppelt. Damit beschrieb er den bis heute ungebrochenen Trend der stetig steigenden Leistungsfähigkeit von Computerprozessoren.
Mittwoch, 7. Dezember 2022
Abwechslung, die du wirklich hörst
Dienstag, 29. November 2022
Auf der Mittelspur ist er geboren
Mittwoch, 23. November 2022
Mut, Fehlerkultur und Sicherheit
Mittwoch, 16. November 2022
Immer schön im Gleichgewicht bleiben
Tanzen ist die Kunst, trotz allerlei Bewegungen zu Musik stets im dynamischen oder statischen Gleichgewicht zu bleiben. Das klingt recht akademisch, aber tatsächlich würden wir bei jedem Schritt umfallen, wenn wir nicht durch irgendeine mehr oder weniger unsichtbare Gewichtsverlagerung den Schwerpunkt wieder über die Füße bringen würden.
Mittwoch, 9. November 2022
Das Popometer
Dienstag, 1. November 2022
Aber das kann ich doch gar nicht
Mittwoch, 26. Oktober 2022
Wanderung durch die Projektlandschaft
Projektstart.
Heute bin ich früh aufgebrochen.
Initialisierung und
Auftrag.
Der Rucksack mit Zelt, Proviant, Karte drückt mir schwer auf
den Rücken.
Motivation.
Trotzdem bin ich zuversichtlich, weil ich im aufkommenden
Tageslicht die schöne Bergwelt um mich sehe und die frische Luft einatme.
Zielsetzung und
Ausblick.
Langsam wird es heller und in weiter Entfernung sehe ich von
Zeit zu Zeit die Hütte liegen, die ich im Laufe des Tages erreichen will. Etwa
auf halber Höhe liegt sie, noch einige hundert Höhemeter über mir und durch
vermutlich mehrere Täler von mir getrennt.
Planung.
Während ich weitermarschiere schaue ich in die Weite, denke
über die Entfernung nach, ein kurzer Gedanke an das Wetter und eventuell
notwendige Zwischenstopps.
Projektumfeld.
Mein Blick schweift nach links: Auf dieser Höhe noch üppig
bewachsene Wiesen. Und nach rechts: Ebenfalls Wiesen, allerdings erkenne ich in
einiger Entfernung grasende Tiere.
Verdeckte / emotionale
Randbedingungen.
Ich schließe kurz die Augen, nehme die Gerüche wahr, auch
die Geräusche von Wind und der fernen Herde.
Aufwand und
Zielerreichung.
Aber ich fühle jetzt auch die Anstrengung, den schweren
Rucksack, die langsam ermüdenden Beine.
Projektfortschritt und
Hindernisse.
Schnell mache ich die Augen wieder auf, sehe auf den Weg vor
mir, nur gut, denn fast wäre ich gegen den Stein gestoßen, der mitten auf dem
Weg liegt (woher kam der nur so plötzlich, ich hatte ihn doch vorhin nicht
gesehen?).
Verdeckte Leistungen.
Jetzt, wo mein Blick nach unten auf den Weg konzentriert
ist, sehe ich auch die Blumen, die den Rand des Pfades säumen. Die waren mir bislang
gar nicht aufgefallen, obwohl sie fast einen Teppich bilden und so schön
aussehen.
Statusbericht.
Unbemerkt habe ich mittlerweile einen guten Teil meines
Weges hinter mich gebracht, auch mehrere Täler durchschritten.
Endspurt und
Produktionsvorbereitung.
Zu meiner Freude taucht nun die Berghütte vor mir auf, gar
nicht mehr weit, endlich. Da lasse ich es mir erst mal gut gehen und werde meine
Brotzeit genießen, sobald ich sie erreicht habe.
Projektabschluss.
Geschafft! Der Rucksack ist durch einige Zwischenstopps und kleine
Zwischenmalzeiten merklich leichter geworden, trotzdem bin ich froh, dass ich
ihn für heute komplett absetzen kann.
Projektreview.
Erschöpft lasse ich mich auf die Bank vor der Hütte fallen,
schaue aber stolz zurück auf den Weg, den ich gekommen bin und auf den fernen
Startpunkt am Horizont.
Lessons learned.
Ich lasse den Tag noch einmal Revue passieren, denke beim
Kauen über die Erlebnisse und Ausblicke der heutigen Tour nach.
Backup.
Mittwoch, 19. Oktober 2022
Vor dem Spiegel
Mittwoch, 12. Oktober 2022
Auch Kurvenfahren will gelernt sein
Wer noch nie auf einem Motorrad gesessen hat, der ist sicher
schon froh, wenn er bei seiner ersten Fahrt nicht herunterfällt. Von scharfen Kurvenfahrten
ganz zu schweigen. Man nennt das bewusste
Inkompetenz, denn man weiß natürlich, dass man in dieser Phase ganz schön
vieles noch nicht hinbekommt, das zügige Durchfahren scharfer Wegbiegungen
gehört dazu.
Nach ein paar Fahrstunden wandelt sich das vorsichtige
Herantasten zu einer gewissen Fertigkeit, auch als bewusste Kompetenz bezeichnet: Lass die Kurve ruhig kommen, ich
weiß, wie ich sie zu nehmen habe. Und nach vielen weiteren Stunden auf dem Bock
geht das dann in Fleisch und Blut über, selbst überraschende
Straßenverhältnisse können gemeistert werden (unbewusste Kompetenz).
Bis dahin ein recht triviales Durchlaufen der „Kompetenzstufen“. Und bis dahin auch im beruflichen Alltag im Sinne von Qualifizierung bekannt. Mit den Jahren ist man routinierter geworden, hat in allerlei Themenfeldern Erfahrungen gemacht und handelt auch im Neuland mehr oder weniger intuitiv richtig.
Das kann – um wieder zum Motorradfahren zurückzukommen – tödlich enden. Krankenhäuser kennen den signifikanten Anstieg an Verletzten im Frühjahr, wenn die letztes Jahr noch routinierten Biker ein wenig aus der Übung gekommen sind und es dann zu Unfällen kommt. Oder auch die alten Hasen, die vom Rettungsteam aus dem Graben geholt werden müssen, weil sie meinen, nach unfallfreien Jahrzehnten die Fahrphysik überwinden zu können.
Wer führt (ein Motorrad oder ein Team), der ist also gut beraten, seine Kompetenzen immer mal wieder auf den Prüfstand zu stellen. Da er selbst nur die bewussten Anteile (bewusste Inkompetenz, bewusste Kompetenz) erkennen kann, muss er – unabhängig von seiner Intelligenz oder analytischen Fähigkeit! – auch das Außenbild abfragen.
Mittwoch, 5. Oktober 2022
Jojo-Effekt im Selbstmanagement
Klar, von Diäten kennen wir das. Das Gewicht nimmt zu, mal mehr, mal weniger und dann ist irgendwann die Schmerzgrenze erreicht. Eine Diät soll jetzt richten, was wir über die letzten Wochen und Monate verzockt haben. FDH, Trennkost, Brigitte, Low-Carb und wie sie alle heißen. Eine davon spricht mich an, ich ringe mich durch und siehe da: die Pfunde purzeln. Einige Wochen später ist die Quälerei zu Ende, die Diät wird abgesetzt und wie eigentlich zu erwarten steigt das Gewicht langsam wieder an.
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Dienstag, 27. September 2022
Da quietschen die Reifen
In ihrer Grundkonstruktion haben Reifen zwei Aufgaben. Sie sollen die Kraft es Motors auf die Straße bringen (Traktion), also für Fortbewegung sorgen. Und ebenso müssen sie dafür sorgen, dass wir in der gewünschten Richtung unterwegs sind (Seitenführung).
Nun sind diese beiden Anforderungen nicht unabhängig voneinander. Wer mal eine Vollbremsung ohne ABS machen musste weiß, dass bei blockierenden Reifen keine Lenkbewegung mehr angenommen wird – das Auto rutscht in Bewegungsrichtung vorwärts. In dieser Situation ist die Traktion maximal, die Seitenführung allerdings Null.
Im gegenteiligen Fall einer scharfen Kurvenfahrt ist zwar die Seitenführung unter Last, aber eine Beschleunigung oder Bremsen ist nicht möglich. Jedenfalls quietschen auch hier die Reifen.
Was kann man tun, um das zu optimieren? Einerseits kann man die Fahrbahn verbessern. Ebene Flächen mit dauerhaftem (möglichst konstanten) Kontakt zum Reifengummi oder griffige Asphaltflächen sind ein guter Ansatz. Andererseits kann man die Zusammensetzung der Reifen sowohl hinsichtlich innerem Aufbau als auch der Gummimischung und der Profilierung anpassen.
Jedenfalls haben die beiden Grundeigenschaften je nach Randbedingungen ihre Grenzen. Bei Regen gehen die erreichbaren Werte für Traktion und Seitenführung deutlich zurück, bei Glatteis können sie bis auf Null reduziert sein. Aber auch Hitze beeinflusst die Haftung, wer Winterreifen im Sommer fährt kennt dieses Phänomen.
Kurzer Blick rüber in die Strategie von Unternehmen. Brauchen wir die maximale Traktion, dann ist eine Richtungsänderung nicht empfehlenswert. Mehr noch, unter diesen Umständen ist eine Beeinflussung nicht möglich. Versucht man in solch einer Phase, neben scharfer Beschleunigung auch noch Umstrukturierungen oder Portfolioanpassungen durchzuführen, ist die Gefahr des Scheiterns ausgesprochen hoch. Ist eine Neupositionierung, gar eine strategische Neuausrichtung angesagt, dann ist wiederum eine überstürzte Prozessoptimierung und Produktivitätssteigerung kontraindiziert.
Die Kombination dieser beiden Änderungswünsche (Geschwindigkeit bzw. Richtung) ist nur eingeschränkt möglich – eine Einsicht, die nach meiner Beobachtung in der Praxis leider oft fehlt.
Und auch die Analogie mit dem Glatteis lässt sich sehr schön herstellen. Ist die Beeinflussbarkeit stark reduziert, das Unternehmen also kaum manövrierfähig, dann Finger weg von jeglicher Strategieänderung, Kurs fortsetzen und darauf hoffen, dass der Markt keine Eskapaden macht. Denn in dem Fall hilft es nur noch den Sicherheitsgurt festzuziehen, auf besseren Gripp zu waren oder den Aufprall vorzubereiten, sprich das Unternehmen in seiner bisherigen Form aufzulösen.
Auf die Betrachtung der Einflussnahme auf die Kunden bzw. den Markt (Optimierung der Straße), die Relevanz der Personalstruktur (Gummimischung), der Unternehmenskultur (innerer Aufbau) und die Präsentation am Markt (Profilierung) möchte ich nicht im Detail eingehen.
Bemerkenswert finde ich allerdings, dass die Reifenindustrie eine ausgeprägte Forschung und Entwicklung betreibt. Branchen mit viel „spannenderen“ Produkten überlassen dieses wichtige Feld aber externen Beratern oder legen gar keine Priorität auf diese Themen. Was dazu führt, dass viel Potential verschwendet und die Erfahrung anderer Branchen nicht im möglichen Umfang genutzt wird.
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Mittwoch, 21. September 2022
NLP als Brücke zwischen Innen und Außen
Der Grundgedanke von NLP (Neuro Linguistischer Programmierung) ist ganz simpel. Was wir denken (Neuro) beeinflusst unser gesprochenes Wort (Lingustik). Und in diese Wechselwirkung können wir eingreifen (Programmierung). Soweit also einleuchtend.
Heute möchte ich ergänzend einen Blick auf das Zielsystem werfen. Was wir denken, ist ausschließlich in unserem Inneren vorhanden. Einen direkten Weg der Übertragung gibt es nicht, nur den Umweg über verschiedene Ausdrucksformen, von denen die Etablierteste das gesprochene Wort ist. Wir betrachten also die Wechselwirkung des innerst möglichen (nämlich der Gedanken) mit der Umwelt (vertreten durch unseren Antritt der Kommunikation, also der Verständigung).Wenn wir davon ausgehen, dass wir über unser Denken unsere Sprache beeinflussen, aber durchaus auch über die Sprache unser Denken, dann ist die Steuerung im Sinne von NLP ein mächtiges Werkzeug, um eine Brücke zwischen Innen und Außen zu schlagen. Mit anderen Worten habe ich die Möglichkeit, auch meine Außenwahrnehmung zu beeinflussen, und zwar durch Kontrolle (Programmierung) meiner Gedanken (Neuro) die indirekte Steuerung meiner Wortwahl und Formulierungen (Linguistik).
Ein Beispiel. Es gibt einen Bekannten, der mir mit seinem missionarischen Eifer bezüglich Ernährung mächtig auf den Geist geht. Ansonsten ein netter Kerl, aber er darf nicht zu seinem Lieblingsthema kommen, sonst wird er unerträglich. Jetzt kann ich ihn in Gedanken zu einem bescheuerten Fanatiker degradieren. Das wird seiner ansonsten positiven Art nicht gerecht und führt dazu – was noch schlimmer ist –, dass er sich durch die (unbewusste) Wahl meiner Formulierungen als gesamte Person abgewertet fühlt.
Wie viel geschickter ist es, ihn schon in meiner inneren Bewertung mittels NLP in die Rubrik liebenswerter Zeitgenossen zu sortieren, wenngleich mit dem Vermerk, dass Ernährung als Gesprächsthema ziemlich anstrengend werden kann. Schon ist die von innen nach außen getragene Wertschätzung von ihm als Mensch erheblich positiver, was er zweifellos merkt und entsprechend quittiert.
Anschaulich wird damit klar, dass die Kette Gedanken – Ausdruck – Verhalten bis auf die Außenwelt (in diesem Fall die Beziehungsebene) durchschlägt. Und ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass mit der geänderten inneren Einschätzung auch deutlich schlechter erreichbare Ausdruckskanäle wie Körpersprache und Gesten / Mimik gut gesteuert werden können. Als Gesamtwerk kommt man damit zu einer als konsistent und authentisch empfundenen Außenwirkung.
Mittwoch, 14. September 2022
Selbstbild und Fremdbilder
Wir haben schon als Kind gelernt, dass es ein Selbstbild und ein Fremdbild gibt. Wobei diese beiden „Bilder“ voneinander abweichen können. Doch damit nicht genug, wenn man etwas genauer hinschaut, gibt es noch eine dritte Kategorie, nämlich das innere (vermutete) Fremdbild.
Mittwoch, 7. September 2022
Ich fahre hinter dem Laster her
Mein Versuch, den weiteren Fahrtverlauf zu planen scheitert, vorausschauender Fahrstil ist nur sehr eingeschränkt möglich.
Als ich als junger Fahrer anderen Verkehrsteilnehmern davon erzählt habe, konnten sie mein Problem nicht nachvollziehen. „Dann ist halt ein Laster vor dir, das ist doch nicht schlimm, irgendwann biegt er ab oder du kannst ihn überholen.“ Sicherlich richtig, aber die eingeschränkte Sicht sorgte bei mir für Nervosität. Mehr noch, ich konnte gar nicht verstehen, dass andere Fahrzeugführer damit keinen Stress haben. Es dauerte eine Weile, bis ich die Ursache erkannte: Wer von vornherein weniger Wert auf Voraussicht legt, den wird der Laster vor ihm kaum stören. Es ist nicht nur eine Frage der Grundeinstellung und vielleicht einer entspannteren Herangehensweise, es ist vielmehr eine Frage des eigenen Anspruchs.
Das zieht sich durch: Es gibt Dinge, die uns wichtig sind und andere Sachen, die für uns bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Bemerkenswert sind dabei zwei Aspekte. Erstens hat jeder eine individuelle Werteskala und es ist ein leider häufiger Trugschluss, dass das Umfeld eine auch nur ähnliche Werteskala hat. Zweitens bin ich bei mir persönlich wichtigen Dingen auch anderen Menschen gegenüber aufmerksam; was mir eher egal ist, wird von mir auch bei meinen Mitmenschen nicht wertgeschätzt.
Beide Punkte haben erhebliche Auswirkung auf mein Handeln. Es ist wichtig zu verstehen, dass mein Nachbar ganz anderes als ich wichtig findet. Geselligkeit oder Hausordnung? Und ebenso muss ich mir im Klaren sein, dass meine Aufmerksamkeit für Leistungen von Arbeitskollegen, die ich vielleicht anders oder gar nicht erbringen würde, recht eingeschränkt ist. Als Beispiele nenne ich „Bemuttern“ des Teams oder die Erledigung von Kollektivaufgaben.
Im zwischenmenschlichen Umgang ist dieses Verständnis jedenfalls von zentraler Bedeutung, auch wenn der Laster vielleicht in wenigen Kilometern abbiegt, sprich sich das Problem von alleine löst.
Dienstag, 30. August 2022
Wenn Vorstände Holz bearbeiten
Kein Kapitän auf einem ernst zu nehmenden Schiff kennt jede
Schraube, er weiß meist nicht einmal, wie man den Schiffsdiesel optimal startet
oder wie die Tampen korrekt aufgeschossen werden. Das ist auch nicht nötig, er
plant den Kurs, legt mit den Offizieren die Etappen fest und delegiert die
Detailarbeit an die jeweiligen Spezialisten.
Vom Marktumfeld und sonstigen Randbedingungen wie Arbeitsmarkt, Energiebeschaffung oder Rohstoffen sind alle Branchen mehr oder weniger betroffen. Insofern könnte man hier eine Analogie zur Seefahrt sehen. Doch leitende Angestellte oder Vorstände haben zusätzlich die Eigenschaft, dass sie gewohnt sind, dass ihre Forderungen umgesetzt werden. Was sie wollen wird irgendwie möglich gemacht, zum Teil unter erheblichen Mühen.
Stellen wir uns vor, ein Mensch mit dieser uneingeschränkten Umsetzungserwartung würde Holz bearbeiten. Einen Werkstoff, der sich durch seine manchmal recht widerspenstigen Fasern, seine enthaltenen Wirbel und Maserungen alles andere als homogen verhält. Was mit dem einen Stück geht, ist bei dem nächsten Abschnitt unmöglich. Und auch die grundsätzlichen Eigenschaften lassen sich nicht überlisten. Ich kann wollen, dass Holz weder quillt noch schwindet, aber in der Praxis wird es abhängig von der Feuchtigkeit seine Abmessungen ändern.
Da endet jede Befehlsgewalt, auch Hierarchie ignoriert ein aufgeschnittener Baumstamm geflissentlich. Vielmehr heißt es mit den Gegebenheiten Frieden zu finden, mal von vorne, mal von hinten zu hobeln, Längenveränderungen zu ermöglichen ohne dass sie sich auswirken. Das erfordert eine Mischung aus Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Ausprobieren. Mit anderen Worten geht es wieder mal um die Handhabung eines komplexen Systems. Ob nun hohe See, Holz oder Unternehmen.
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Dienstag, 23. August 2022
Ja, nein, aber, und.
Vor mir sitzt ein Kollege mit strahlenden Augen. Eine aus
seiner Sicht tolle Idee geht ihm im Kopf herum, der Gedanke lässt ihn nicht los
und er muss mir unbedingt davon berichten.
Welcher Typ sind sie? Der Ja-Sager? Der Abblocker, der Bedenkenträger oder der Motivator?
Im Alltag darauf achten, wie man auf Aktionen reagiert, welches der vier Signalwörter man besonders häufig verwendet. Denn das sagt doch ziemlich viel über die Grundeinstellung aus. Und im Sinne von Neurolinguistischer Programmierung kann man auch erreichen, durch stetig geänderte Wortwahl vom demotivierenden Skeptiker zum ermutigenden Anschieber zu werden.
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Mittwoch, 17. August 2022
Warum bist Du eigentlich hier?
Also, warum ich im Fitnessstudio bin, das weiß ich. Als Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit und dem vielen Sitzen möchte ich mich körperlich fit halten. Andere Kollegen joggen durch die Gegend, manche setzen sich aufs Fahrrad, ich gehe ins Studio.
Da schaue ich mich um und frage mich, was andere Kunden hierhin treibt. Naheliegend sicher auch irgendwelche sportlichen Gründe, vielleicht Muskelaufbau, Bodybuilding, Ausgleich anderer Sportarten oder Rehabilitation nach Unfällen. Eine ganz andere Sparte sind die Männer und Frauen, die eine Hilfe bei der Überwindung ihres inneren Schweinehundes brauchen. Sportkurse und Übungen in der Gruppe sind ein probates Mittel, um von einem Trainer motivierte Anstrengungen zu meistern. Drittens dann die Menschen, die ihre Grenzen fühlen möchten, vielleicht sich selbst auch beweisen wollen, was sie gestemmt bekommen. Oder sich als Kontrast zur Tagesarbeit mal so richtig auspowern wollen.
Habe ich noch eine Gruppe übersehen? Ja, natürlich. Da sind nämlich zu einem durchaus merklichen Teil auch noch Personen, die nur in zweiter Linie wegen der Fitness hier sind. Man möchte andere trainierte Menschen sehen, von diesen gesehen werden oder sich an seiner eigenen Schönheit erfreuen. Ein wenig wie ein Marktplatz mit der Option, sich – zumindest körperlich – ein bisschen zur Schau zu stellen.
Und das ist genau die Stelle, an der manche Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen blind sind. Denn diese durchaus beachtliche Fraktion der Kundschaft muss man natürlich ganz anders ansprechen als die offizielle oder als solche sichtbare Zielgruppe. Wichtige Kunden, die ich auch abholen muss, die ich aber nicht mit besonders guten Trainern oder topmodernen Geräten begeistern kann. Wie auch andernorts stellt sich die Frage, warum jemand ausgerechnet hierher kommen oder sogar etwas kaufen sollte. Da ist Kreativität gefragt: Wenn ich als Baumarkt nur Schrauben verkaufe, geht mir ungefähr die Hälfte der potentiellen Käufer durchs Netz, nämlich fast alle Frauen. Was dort die Abteilung mit Dekorationsartikeln ist, ist anderswo das Grillzubehör im Haushaltswarenladen.
Abschließend noch der Hinweis, dass es nicht nur eine Frage des Produktportfolios ist. Auch die Kombination aus sachlichen und emotionalen Komponenten muss so austariert werden, dass man einen möglichst großen Marktanteil erreicht.
Und noch abschließender die Feststellung, dass diese Gedanken auch für abstraktere Gebilde wie zum Beispiel Organisationseinheiten in Unternehmen gelten. Warum sollte sich ein Mitarbeiter für die Tätigkeit in meinem Unternehmen oder (genauer hingeschaut) in dieser Abteilung entscheiden; Vielleicht ist es die Herausforderung (Auspowern), die gemeinsame Arbeit (Sportkurs), die Erholung von einem Burnout in ruhigerem Umfeld (Rehabilitation) oder eine besonders nette Kollegin (Sehen und gesehen-werden). Eher die Karriere (Sache) oder eher das gute Betriebsklima (Emotion)? Ein Unternehmen so aufzustellen und Abteilungen so in Position zu manövrieren, dass sie nicht nur ihre Arbeit machen, sondern attraktiv für Mitarbeiter sind und bleiben, ist neben der strategischen Ausrichtung und Führung die anspruchsvollste Aufgabe für Manager.
Mittwoch, 10. August 2022
Wer für Geld kommt
Holla, da freut sich der Personalchef. Hat er es doch geschafft, einen interessanten Kandidaten für eine Stellenbesetzung zu ergattern, ihm ein paar Krümel und ein geringfügig höheres Gehalt als die Konkurrenz anzubieten.
Das Schnäppchen kommt, nimmt seinen Platz im Getriebe des Unternehmens ein und freut sich über die gute Bezahlung. Immerhin so lange, bis ein paar Headhunter auf ihn aufmerksam werden und ihn mit Angeboten belagern, bis er sich für die nächste Gehaltsrunde nicht mehr mit den Kollegen in der Schlange anstellt, sondern einfach kündigt und eine Tätigkeit bei dem Mitbewerber annimmt.
Mitarbeiterbindung, das weiß natürlich jeder Personaler, die geht nicht nur über Geld, denn das ist ein austauschbarer Köder und mehr oder weniger leicht zu überbieten. Nur emotionale Bindung, attraktives Umfeld, spannende Tätigkeit oder sonstige (persönlichkeitsabhängige) Motivation versprechen eine gewisse Treue zum Unternehmen.
Apropos Treue. Denn dieser schöne Sinnspruch „Wer für Geld kommt, geht auch für Geld wieder“ gilt nicht nur für den Beruf und HR-Abteilung. Er ist genauso zutreffend für alle anderen Formen der Liaison. Beispielsweise singt eine Frau mit Ehrgeiz im örtlichen Chor, weil der Chorleiter sie in besonderem Maße fördert. Lässt er nach und der Leiter eines anderen Chores erkennt das Potential, dann ist ein Wechsel kaum aufzuhalten.
Und in ganz besonderem Feld gilt es auch für die Partnerschaft. Was die Beziehung zusammengeführt hat, kann sie leicht auch wieder trennen. War es das Geld, mit dem der Mann immer angegeben hat? Oder die flotte Sohle, die die Frau bei den Partys aufs Parkett gelegt hat? Ging es um die starken Sprüche oder seine Führungsposition? Nahezu alle Faktoren verändern sich mit der Zeit, es gibt bestimmt einen Mann, der noch mehr Geld hat, eine Frau mit noch heißeren Tanzschritten, den cooleren Spruch und die Macht über noch mehr Menschen.
Wir haben im Chemieunterricht doch gelernt, dass Doppel- oder gar Dreifachbindungen besonders stabil sind. Also nicht nur auf einen Aspekt fokussieren. Und daneben sollte man sich immer vor Augen halten, dass äußere Schönheit vergeht, innere Schönheit besteht (auch in der Unternehmenskultur).
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Mittwoch, 3. August 2022
Paragraph 1 in Unternehmen
Wie geht das eigentlich so typischerweise im Unternehmen?
Immer erst mal schön die eigenen Interessen sichern, Vorfahrt nur gewähren,
wenn es vorgeschrieben ist oder niemand sich beschweren kann. Notfalls auch mal
mit hochgekrempelten Ärmeln nehmen, was es gerade zu fassen gibt.
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige
Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so
zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den
Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Dieses Grundprinzip hat sich im Straßenverkehr bewährt. Warum nicht auch in einer Organisation mit vielen Mitarbeitern? Sicher nicht ganz wörtlich, aber im übertragenen Sinn ist es naheliegend, dass es neben Vorfahrtsregeln auch so etwas wie Zusammenspiel gibt, auch wenn man sein (organisatorisches) Gegenüber gar nicht kennt.
Nur – hier wie da kommt uns die menschliche Natur in die Quere. Ist ja alles ganz schön, aber Fortschritt (für sich selbst, seine Einheit und so weiter) erzielt man meist nur mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Durchsetzungskraft. Und diese kollidiert häufig mit der Forderung nach Rücksichtnahme. Entweder erzwingt man diese Haltung (wie in der Straßenverkehrs-Ordnung), oder man schafft Anreize.
Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die eigene Arbeit zugunsten anderer Abteilungen und nicht zu deren Lasten zu gestalten. Und dabei die schwierige Balance zu halten, damit man nicht am Ende selbst der Benachteiligte ist. Ein erster und sehr wichtiger Schritt ist die Analyse der Situation: Schädigt ein Teil der Organisation einen anderen Teil oder wurde andererseits bei der Bearbeitung der Aufgaben auch an das Umfeld gedacht?
Erkennen verpflichtet zum Handeln, denn nicht wenig Arbeitsaufwand und emotionale Energie wird mit Rangeleien um Vorfahrt oder schlichter Rücksichtslosigkeit verschwendet.
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Mittwoch, 29. Juni 2022
Tanz Dein Unternehmen
Als ich vor ein paar Tagen bei den Pokalen aufgeräumt habe, dachte ich mal wieder an meine Tanzturniere. Beim klassischen Paartanz ist es ja so, dass per Definitionem der Herr die Führung hat. Er wählt während des Tanzes aus einem gemeinsam bekannten Repertoire die geeigneten Figuren aus und bestimmt die Richtung. Doch halt, weder das eine noch das andere tut er im Alleingang. Denn natürlich sieht er nur nach vorne, den Rückspiegel muss seine Partnerin für ihn ersetzen. Und das tut sie, indem sie kaum merklich Rückmeldung gibt, ob Platz ist, die Drehung überhaupt so weit ausgeführt werden kann wie vom Partner vorgesehen oder sogar eine ganz andere Figur erforderlich ist.
Wie im richtigen Leben kann sich der Herr über die Impulse der Dame hinwegsetzen, einfach seine Planung durchziehen und zum Beispiel eine Kollision mit einem anderen Paar riskieren. Im Ergebnis ist das allerdings schlechter als bei einem wohlabgestimmten Zweierteam.
Genauso ungünstig ist es natürlich, wenn die Dame die Führungsansätze des Herren nicht aufnimmt und sich nicht oder nur mit Gewalt führen lässt.
Es geht – wichtig zu verstehen und für manche Außenstehende unbegreiflich – nicht um hierarchische Bevormundung oder das Ausüben von Macht. Sondern um einen dynamischen Wechsel von Führung und geführt-werden. Und je sensibler beide Seiten für die kleinen und klitzekleinen Gewichtsverlagerungen und Impulse sind, desto harmonischer und für den Zuschauer geradezu schwebend wirkt die Performance.Eines der Ziele beim Turniertanz ist also dieses Wechselspiel, das Souveränität vermittelt und beiden Partnern Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Denn auch bezüglich des Außenbildes ist festgelegt, dass die Dame das Bild und der Herr der Rahmen sein sollen. Was jedoch keine Wertung darstellt, sondern eher die Rolle charakterisiert, die die beiden Personen im Idealfall ausfüllen.
Im Berufsleben ist der Vorgesetzte (m/w/d) analog zum Herrn beim Turniertanz zu sehen und die Mitarbeiter sind die Damen. Zwar ist grundsätzlich definiert, wer vorgesetzt und wer untergeben ist. Aber das Wechselspiel der Führung und das sorgfältige Eingehen auf die möglicherweise kaum erkennbaren Hinweise der Mannschaft machen die wirklich erfolgreichen Teams aus.
Mittwoch, 15. Juni 2022
Empathie - der Wert von Kontrollfragen
Um den Gedanken exemplarisch weiterzuführen hier ein paar Kontrollfragen
- Habe ich meine Sprache und
Ausdrücke so gewählt, dass Kinder sie verständen?
- Ist der Sachverhalt auch
für Fachfremde (also in diesem Themenfeld Laien) nachvollziehbar?
- Komme ich ohne Umschweifen
auf den Punkt und schone die Zeit eines vielbeschäftigten Vorstandes?
- Würde ich so auch mit
einem geschätzten Menschen sprechen?
- Würde ich so auch mit
einem Vorgesetzten sprechen?
- Kommt mein Mut nur aus der
Deckung der Anonymität?
- Wie würde mein
Mann/Frau/Partner das beurteilen?
- Würde ich auch so wild
hupen, wenn aus dem Auto vor mir ein Schlägertyp ausstiege?
- Wäre meine Kritik so hart,
wenn ich in mein Gegenüber frisch verliebt wäre?
- Belästige ich nur die
nötigsten Mitmenschen mit meinem Anliegen?
- Wie würde ich mich fühlen,
wenn ich diese E-Mail empfinge?
- Lasse ich gerade meine
(schlechte) Laune an einem Kollegen aus?
- Hätte ich diese Kleidung
auch zu meinem ersten Rendezvous an?
- …
Diese Fragen sind natürlich ein Mittel der Empathie. Diese schöne Eigenschaft ist manchen Menschen von Natur aus mitgegeben, andere müssen sie ein wenig künstlich erzeugen. Und genau dabei können aktiv gestellte Kontrollfragen eine große Hilfe sein. Sehr sinnvoll sind Listen, die man sich für die verschiedenen Szenarien der Interaktion (Telefon, E-Mail, Präsentation etc.) zusammenstellt und bei der Vorbereitung durchgeht.
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Dienstag, 7. Juni 2022
Ich springe mal woanders ab
Wer immer an derselben Stelle abspringt, landet auch immer an derselben Stelle.
Anders sieht es aus, wenn ich mal von einer anderen Stelle abspringe. Plötzlich lande ich im Sandkasten auch an einer neuen Zielstelle, da ist der Sand noch unberührt.
Ich halte es für einen äußerst spannenden Ansatz, auch seinen Lebensalltag so zu gestalten. Jeder will etwas erleben, will Abwechslung in sein Leben bringen. Lebt aber immer gleich, reagiert gleich, trifft immer prinzipiell gleiche Entscheidungen. Da kann ja keine wesentliche Veränderung herauskommen.
Mal ein Beispiel: Traditionell rufe ich wütend den Absender einer E-Mail an, die mich verärgert hat. Ein Wort gibt das andere, meine Meinung bin ich zwar losgeworden, aber die Nachwirkungen in Form gegenseitiger Beleidigung sind langanhaltend. Und jetzt mal anders. Ich nehme den Telefonhörer zunächst gar nicht in die Hand, lasse die Nachricht auf mich wirken und frage mich, wie ich humorvoll darauf reagieren könnte. Und dann rufe ich an, strahle meinen Gesprächspartner durch das Telefon an und verblüffe ihn, indem ich statt Schimpfkanonen ein paar freundliche Worte finde. Nicht einfach, aber der Effekt ist unbeschreiblich positiv.
Das ist übrigens nicht nur Theorie. Mein Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit einer temperamentvollen Mitbewohnerin, es ging um irgendein Thema, vermutlich wegen der Wohnungsreinigung. Wütend und lautstark steigerten wir uns gegenseitig in eine wilde Auseinandersetzung, keiften uns an und verschwanden schließlich wutschnaubend in unseren Zimmern. Und dann der Tag, an dem ich dieses wildgewordene Wesen in den Arm nahm und sie einfach drückte und versicherte, wie schön doch die gemeinsame Zeit in der WG sei. Schluss mit der Schreierei, wir hielten uns fest, ich glaube es flossen sogar ein paar Tränchen, und wir hatten unsere emotionale Beziehung auf neue Füße gestellt. Erst durch dieses geänderte Herangehen war zu Tage gekommen, dass sie bei allem Gezeter eigentlich meine Anerkennung und meine Freundschaft einklagen wollte.
Mut also, mal eine ganz andere Reaktion auszuprobieren. Fast möchte ich sagen, dass man gar nicht verlieren kann. Schlimmstenfalls hat man etwas über sich und den Anderen erfahren und gelernt, dass dieser Absprung noch nicht von der optimalen Stelle erfolgt ist. Was nicht schlimm ist, weil man ja hoffentlich noch eine Zeit lebt und einen anderen Sprung probieren kann.
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Mittwoch, 1. Juni 2022
Wer sagt denn, dass du mich verstehen sollst?
„Hej, das ist echt mega“, höre ich gerade und übersetze für
mich, dass dieser Teenager von einer Sache ausgesprochen angetan ist.
Begeistert ist. Sie toll findet, mega
eben. Was ich soweit noch in meinen Wortschatz überführt bekomme. Auch der
Transfer von Alter zu mein Freund lässt sich noch hinbekommen,
aber wenn ich von Jugendlichen umgeben bin, fällt es mir zunehmend schwer, mich
in deren Sprache zu orientieren. Und auf einmal wird mir klar, dass sie eine
Fremdsprache sprechen. Jugendsprache halt. Und das ist nicht Zufall, sondern
Absicht.
So wenig wie sie sich bei ihren Freunden und Aktivitäten in
die Karten schauen lassen, so wenig möchten sie von Erwachsenen verstanden
werden. Was ja sowieso nicht geht, weil Erwachsene ihre Probleme ohnehin nicht
verstehen. Und die Evolution, die Emanzipation und heimlich geplante Revolution
gar nicht mitmachen könnten. So bildet sich mit jeder neuen Generation eine
neue Ausprägung der Sprache, Abgrenzung gegen alle benachbarten Generationen
und ein Siegel für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe.
Eindringlinge werden abgewiesen, wer sich anbiedert oder gar
erdreistet, diese Sprache nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache zu
adaptieren, wird als voll peinlich
beurteilt. Vokabeln, Redewendungen und Ausdrücke sind Teil einer Kultur, die in
ständiger Bewegung ist. Wer heute noch mitten in der Pubertät steckt, ist
morgen schon Establishment (wie es zu
meiner Zeit hieß).
Kurzum: Jedem sein Jägerlatein. Und von der Beherrschung der zum Teil abenteuerlichen Vokabeln bis zum tatsächlichen Verständnis der Sache oder gar Mitgliedschaft bei den Jagdpächtern ist es meist ein weiter Weg.
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Mittwoch, 25. Mai 2022
Bestellhotline Pizzeria da Luigi
Haben Sie das schon mal erlebt? Ich nicht. Luigi geht prompt ans Telefon, im Hintergrund höre ich zwar, dass der Laden voll ist, aber er hört sich sofort meine Wünsche an, gibt sie in die Küche oder schreibt meine Reservierung ins Buch. Kein Telefoncomputer, bei dem ich mir zig Optionen merken muss, um dann am Ende doch auf den Onlinebereich verwiesen zu werden. Kein Weiterverbinden, keine Wartemusik, keine Belehrung. Einfach nur Entgegennahme meines Anliegens.
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